Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Als er schließlich stand, fühlten sich seine Füße so schwer und empfindungslos an wie zwei Sandsäcke. Sein Kopf schien über seinem Körper zu schweben, und seine Sicht schmolz zu einem Farbstreifen. Er spürte, wie er wankte, sodass er Halt suchend nach dem griff, was in der Nähe war – Deborah.
Deutlich merkte er, wie viel Mühe es sie kostete, ihn zu stützen; sie wirkte so zerbrechlich wie ein zierliches französisches Möbelstück. Sie gab ein seltsames kleines Quietschen von sich.
„Hören Sie auf zu jammern“, rief er. „Warten Sie eine Sekunde.“ Jetzt konnte er wieder klar sehen. Ein bohrender Schmerz pochte in seinem Schädel. Er streckte eine Hand aus und ertastete einen einfachen Verband auf seiner Stirn. Der Stoff fühlte sich an, als wäre er mit getrocknetem Blut verklebt. Er betrachtete seine Finger. Ja, eindeutig Blut. Er ließ Deborah los. „Wie ist das hier passiert?“
„Ich habe nicht getroffen. Das schwöre ich. Ich habe Sie nicht getroffen, sehen Sie?“ Sie eilte zur Tür, deutete auf frische Schrammen auf der Holzzarge. „Eine verirrte Schrotkugel muss Sie erwischt haben.“
„Mist“, sagte er erneut.
„Sie sollten nicht fluchen.“
„Fein. Was sollte ich dann tun, Prinzessin? Beten?“
Sie starrte eine Weile auf seine bloße Brust, während ihre Wangen flammend rot wurden. „Sie sollten sich etwas anziehen. Und dann sollten Sie etwas essen. Danach sollten Sie noch eine Weile schlafen“, presste sie hervor.
Grummelnd streifte er sich seine steife trockene Hose über, steckte seine Füße in Strümpfe und die Stiefel, bevor er nach draußen ging, um sich zu erleichtern. Als er zurückkam, stellte sie gerade Schüsseln auf den Tisch.
„Da ist warmes Wasser in der Schüssel“, erklärte sie, ohne aufzusehen.
Er wusch sich an dem alten Waschtisch, dann setzte er sich an den Tisch, war plötzlich hungrig. Sie servierte ihm eine Art Maisgrießbrei mit Unmengen Ahornsirup übergossen. Bei dem Gericht hätte sich dem tapfersten Holzfäller der Magen umgedreht, aber für Tom schmeckte es wie Ambrosia, und er aß alles auf, ohne ein Wort zu sagen.
Als er fertig war, blickte er sich noch einmal gründlich um. Ihre Sachen waren überall. Weibliche Dinge. Nicht sehr viele insgesamt, denn das meiste war auf das Festland gebracht worden, aber Deborah gehörte zu der Sorte Frauen, die in ihrem Fahrwasser überall dies und das von sich zurückließen. Überall zog sie eine Spur ihrer Habseligkeiten – einen Strumpf, einen Kamm, ein Stück Band oder Spitze, ein Fläschchen mit irgendeiner geheimnisvoll duftenden Flüssigkeit.
Holzscheite waren unordentlich neben dem Ofen aufgeschichtet. Lebensmittel aus dem Laden lagen durcheinander auf der Arbeitsplatte – ein Sack Mehl, ein Glas Sirup, Dosen mit Schmalzfleisch und Räucherfisch.
Sie folgte seinem Blick. „Ich bin in den Laden eingebrochen“, erklärte sie und zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich habe eine Axt benutzt.“ Sie wartete, beobachtete ihn wie ein Kaninchen auf dem Sprung zur Flucht.
„Ich werde Sie nicht anschreien“, erwiderte er. Genau genommen war er angenehm überrascht. Vor noch gar nicht so langer Zeit hatte sie sich selbst keinen Schuh ohne Hilfe zubinden können. Jetzt aber hatte sie allein hier draußen einen Schneesturm überlebt. Es gab Männer, die das nicht geschafft hätten.
„Also, was ist geschehen?“, fragte er in die eisige Stille hinein. „Wie ist es Ihnen gelungen, hier zurückgelassen zu werden?“
„Wie ist es Ihnen gelungen, mich hier zurückzulassen?“
„Sie hätten an Bord der Koenig sein sollen.“
„Ich musste noch einmal zurück, um etwas zu holen.“ Sie stand vom Tisch auf und begann aufzuräumen.
„Etwas holen. Was hatten Sie vergessen?“
„Es war albern, wirklich“, erwiderte sie, ohne ihn anzusehen. „Ich wollte mir ein paar Achate aus dem Bach besorgen, ein Andenken an Isle Royale. Ich dachte, ich würde diesen Ort hier nie wiedersehen.“ Hastig räumte sie ein paar Sachen in den Küchenschrank.
Was für ein seltsamer Vogel sie doch war. Sie war gegen ihren Willen hierher verschleppt worden, aber sie hatte trotzdem ein Andenken an die Zeit hier haben wollen. Hatte sie am Ende eine Vorliebe für die Insel entwickelt?
„Das hätten Sie mir sagen sollen. Dann hätten wir gewartet.“
„Ehrlich, ich dachte, es würde nur einen Moment dauern, und ich wollte niemanden warten lassen. Dann ist mir ein Missgeschick passiert. In der Nacht, in der das
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