Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
holen, ausgerechnet …“
„Ich bin leichtsinnig?“ Sie stieß ein fassungsloses Lachen aus. „Sie sind es doch, der leichtsinnig ist. Sie haben mich entführt .“
„Wenn Sie getan hätten, was man Ihnen gesagt hat, wären Sie längst auf dem Weg nach Hause“, meinte er.
Zu Hause. Zwei so schlichte Worte, die sie in solche Verwirrung stürzten. Sie blickte Tom Silver eine Weile lang an, dann erklärte sie: „Das Einzige, was die Lage noch verschlimmern würde, wäre, wenn wir uns gegenseitig an die Kehle gehen. Wenn wir schon keine Freunde sein können, können wir wenigstens versuchen, höflich zueinander zu sein.“
„Wir könnten versuchen, Freunde zu werden.“ Er murmelte die Worte so leise, dass sie fast glaubte, sie habe sie sich nur eingebildet.
Aber das hatte sie nicht, und eine befremdliche Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. Deborah kam der Gedanke, dass sie nie zuvor einen Mann zum Freund gehabt hatte. Ihr Verhältnis zu Philip, selbst vor dem verhängnisvollen Besuch in der Oper, war weniger freundschaftlicher Natur gewesen, sondern hatte vielmehr einer Art Allianz entsprochen. Eine Verbindung, die ihr Vater angebahnt hatte und der er seinen Segen gegeben hatte – ein weiteres männliches Wesen, das sie nur oberflächlich kannte. Es machte sie traurig, wenn sie darüber nachdachte, dass sie ihren Vater nicht wirklich verstand.
Sie wusste mehr über diesen Hünen hier aus den Wäldern im Norden als über ihren eigenen Vater. Sie wusste, er konnte den Holzbedarf für einen ganzen Tag in wenigen Minuten hacken, und dass er durch die Zähne pfiff, während er arbeitete. Sie wusste, er mochte seinen Kaffee stark und schwarz, und er konnte drei Schüsseln Haferbrei essen, ohne sich zu beschweren, dass er ihn leid war. Sie wusste, er konnte ein Buch schnell lesen, aber sich trotzdem darin vertiefen. Und er war auf seine eigene eher raue Art und Weise ein nachdenklicher Mann. Ohne darum gebeten werden zu müssen, sorgte er stets dafür, dass ein Kessel warmes Wasser da war, wenn sie morgens aufstand. Und während sie badete, blieb er eine oder zwei Stunden weg, wobei sie keine Ahnung hatte, womit er sich die Zeit vertrieb. An den Abenden, an denen er badete, wartete er, bis sie zu Bett gegangen war, bevor er den Zuber hervorholte. Dann lag sie in ihrem kühlen stillen Zimmer, die Decken bis zum Kinn hochgezogen, und konnte hören, wie er sich wusch und abschrubbte. Egal, wie sehr sie sich bemühte, es nicht zu tun, stellte sie sich seinen großen muskulösen behaarten Körper vor. Sie hatte versucht, nicht hinzusehen, als sie ihm die Kleider ausgezogen hatte, um ihn zu wärmen, aber es war unmöglich gewesen, nicht zur Kenntnis zu nehmen, wie sein Körper durch die harte Arbeit geformt war. Unmöglich, sich nicht zu erinnern, während sie ganz still dalag und auf das Ächzen des Zubers lauschte, wenn er ihn zur Tür hievte, um das Wasser auszuschütten.
Mit jedem Tag, der verstrich, gewöhnte sie sich mehr an seine Gegenwart, das Geräusch seiner Schritte auf der Veranda, das abendliche Rascheln von Buchseiten, wenn er umblätterte, wie der Lampenschein auf seinem Brillengestell glänzte, die Freude auf seinem Gesicht, wenn ihr das Maisbrot gelang und gut schmeckte. Zwischen ihnen geschah etwas, etwas, dem sie nicht ganz traute. Aber wie die Meisen, die kamen und Brotkrumen von der Fensterbank pickten, konnte sie trotz der Gefahr einfach nicht widerstehen.
25. KAPITEL
E infach zu überleben, füllte ihre Tage, aber an den Abenden gab es wenig zu tun außer am Ofen zu sitzen und ein Buch zu lesen oder zu nähen. Deborah beschäftigte sich mit ihrem Quilt; nach und nach nahm das ineinandergreifende Muster, während sie die Stoffstücke zusammenfügte, Gestalt an. Tom hatte beschlossen, einen Versuch im Eisfischen zu wagen, und saß am Tisch, wo er Köder bastelte. Haken, Drahtstückchen und winzige Federn lagen ausgebreitet auf einem Ledertuch vor ihm, zusammen mit Scheren und Zangen, die in seinen großen Händen winzig wirkten. Während er arbeitete, redete er, sprach von dem Buch, das er vor Kurzem beendet hatte – Die Entstehung der Arten von Charles Darwin.
„Unser Pastor hat das Buch als ‚Quatsch‘ bezeichnet und der Gemeinde verboten, es zu lesen“, erzählte Deborah.
Tom war überaus amüsiert darüber. „Er glaubt, indem er den Leuten verbietet, sie zu lesen, verschwinden die Ideen wieder?“
„Ich nehme an, ja.“ Sie hatte wochenlang nicht mehr an Dr. Moody oder ihr
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