Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
gar keine Wahl. Der Himmel weiß, ich bin nicht dazu geschaffen, eine Ehefrau zu sein.“ Sie sprach leichthin, verbarg, wie es in ihr aussah, die Verzweiflung und Enttäuschung, die sie verspürte. Es war nicht so leicht, einen Traum aufzugeben oder die eigenen Grenzen zu akzeptieren. Sicher, sie hatte immer einen Druck auf der Brust empfunden bei dem Gedanken an ihre Zukunft als die Mrs Philip Ascot von Tarleton House, New York. Die Vorstellung, dass die Millionen ihres Vaters in die Wiederherstellung von Philips Vermögen fließen würden, hatte ihr nie gefallen. Doch im Grunde hatte sie heiraten wollen. Sie hatte einen Ehemann gewollt, der sie in seinen Armen hielt, sie liebte und dem sie sich anvertrauen konnte, mit dem sie eine Familie gründete und mit dem zusammen sie schließlich alt und grau wurde.
Was für ein dummer kindischer Traum das gewesen war. Sie hätte es besser wissen müssen. Zu oft hatte sie in ihrer Umgebung beobachtet, wie Ehepaare getrennte Wege gingen. Aber natürlich hatte sie wie ein unerfahrenes törichtes Mädchen geglaubt, dass es bei ihr anders sein würde. Ihre Ehe würde eine Liebesheirat sein.
„Was soll das heißen, dass Sie nicht geschaffen sind, eine Ehefrau zu sein?“, fragte Tom.
Bitter starrte sie ihn an. „Ich habe Ihnen gestern Dinge erzählt, die ich für mich hätte behalten sollen. Soll ich etwa annehmen, dass Sie nicht zugehört haben?“
„Ich habe jedes Wort gehört, das sie gesagt haben.“
„Dann müssen Sie mich doch sagen gehört haben, dass meine … Erfahrung mit meinem Verlobten, einem Mann, den ich seit Jahren kenne und dem ich vertraut habe, mir einen fundamentalen Mangel an meinem Charakter vor Augen geführt hat.“
„Warten Sie eine Minute. An Ihrem Charakter?“
„Der Akt, der die Ehe zwischen Mann und Frau besiegelt, stößt mich ab. Die einzige Erklärung, die ich mir für mein Versagen denken kann, ist, dass ich keine Mutter hatte, um …“
„Verdammt und zugenäht, Sie haben überhaupt nichts verstanden, oder?“
Bei seinem scharfen Ton zuckte sie zusammen. Er hatte aufgehört, so zu tun, als wäre er mit dem Fliegenhaken beschäftigt; seine ganze geballte Aufmerksamkeit galt allein ihr.
„Wie bitte?“, erwiderte sie schließlich verwirrt.
„Der Abend, von dem Sie mir erzählt haben …“
„Bitte, ich möchte es nicht weiter erörtern.“
„Nun, es tut mir leid, aber wir werden es erörtern, bis Sie es verstanden haben, verdammt noch einmal.“
„Was gibt es da zu verstehen? Vielleicht sollte ich mich sogar glücklich schätzen, dass ich herausgefunden habe, wie unzulänglich ich bin, bevor Philip sich durch die Ehe an mich gefesselt hätte.“
„Ich kann es nicht fassen.“ Er stützte seine Hände auf den Tisch und stand auf. „Sie machen sich selbst Vorwürfe, weil dieser Hurensohn Sie vergewaltigt hat.“
Vergewaltigt.
Sie kannte das Wort. Es war ein hässliches Wort, das bestenfalls nur geflüstert wurde, selbst von dem Lehrer in der Sonntagsschule, als sie die Bibelgeschichten von Amnon und Tamar und Shechem und Dinah besprochen hatten. Sie hatte Geschichtsbücher und die Klassiker gelesen – Westgoten und Barbaren vergewaltigten, brandschatzten und plünderten. Immer war die Vergewaltigung ein Akt des Hasses oder der Gewalt gewesen, der die Opfer entweder tot oder hoffnungslos verstümmelt zurückgelassen hatte. In den Geschichten von Ovid begangen Frauen Selbstmord, nachdem sie vergewaltigt worden waren. Die Angreifer waren immer wahnsinnige Fremde, die in den Schatten lauerten. Und in den verbotenen Schundromanen, die sie und ihre Freundinnen heimlich gelesen hatten, waren die Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, ohnehin immer von niedrigsten Moralvorstellungen.
„Nein“, sagte sie langsam. „Sie verstehen da etwas nicht. Philip war mein Verlobter. Es war keine Vergew…“ Sie konnte sich nicht überwinden, das Wort auszusprechen. „Er hat nicht getan, was Sie gesagt haben.“
„Er hat Sie nicht gezwungen, Sie nicht nach unten gedrückt und sich nicht Freiheiten herausgenommen, die Sie ihm nicht gewähren wollten?“
„Doch, aber …“
„Hat er etwa nicht Ihre Röcke hochgeschlagen, sich an Ihrer Unterwäsche zu schaffen gemacht und ist in Sie gekommen – alles gegen Ihren Willen?“ Tom Silvers Worte trafen sie mit der Wucht körperlicher Schläge.
Ihre Kehle zog sich schmerzlich zusammen. „Ich werde nicht noch einmal darüber reden.“
„Dann beantworten Sie mir diese eine
Weitere Kostenlose Bücher