Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Frage, Deborah.“
Das erregte ihre Aufmerksamkeit. Er nannte sie so gut wie nie Deborah. „Ja?“
„Haben Sie ihm gesagt, er solle aufhören?“
„Geflüstert“, erwiderte sie leise. „Aber …“
„Die Tatsache ist doch, dass er Sie gezwungen hat, etwas zu tun, das Sie nicht tun wollten. Es war ein gewaltsamer Akt. Es war Vergewaltigung, verdammt noch einmal, und Sie geben sich selbst die Schuld.“
„Philip war zuvor nie brutal zu mir. Er hat mich nie im Zorn geschlagen oder mir wehgetan …“
„Noch nicht einmal an jenem bewussten Abend?“ Tom war nicht bereit, lockerzulassen. „Können Sie mir schwören, dass er Ihnen da nicht wehgetan hat? Nur, weil Sie keine blauen Flecken hatten, heißt das ja nicht, dass er Sie nicht verletzt hat.“
Philip hatte keine sichtbaren Zeichen auf ihr hinterlassen. Wenn es so gewesen wäre, könnte sie sein Verhalten als gewaltsam bezeichnen, könnte sie sagen, dass er sie verletzt hatte. In gewisser Weise war also das, was er an dem bewussten Abend getan hatte, schlimmer. Er hatte ihre Seele gezeichnet, den Teil von ihr, den niemand sehen konnte, den Teil, der schmerzen und bluten konnte, ohne dass es jemand außer ihr erfuhr.
Sie wollte weglaufen und sich verstecken, aber Tom Silver hielt sie mit seinem eindringlichen Blick und seinen unnachgiebigen Fragen fest. Sie konterte mit einer eigenen Frage. „Warum wollen Sie all diese Dinge wissen? Warum ist Ihnen das so wichtig?“
„Weil Sie sich für etwas hassen, das der Bastard Ihnen angetan hat.“
„Aber er hat mir doch nur gezeigt, woraus die Pflichten einer Frau ihrem Ehemann gegenüber bestehen. Es ist nicht seine Schuld, wie ich mich dabei gefühlt …“
„Wie haben Sie sich denn gefühlt? Betrogen? Verängstigt? Hölle, Frau, natürlich haben Sie das. Er hat sie angegriffen und hat ohne ihre Einwilligung gehandelt. Sie haben es nicht gemocht, weil er Sie vergewaltigt hat, nicht weil irgendetwas mit Ihnen nicht in Ordnung ist.“ Tom stand auf und lief rastlos wie ein wildes Tier durch den Raum. „Haben Sie gedacht, mir würde nicht auffallen, wie Sie reagieren, wenn Sie berührt werden?“, fragte er. „Sie können es nicht ausstehen. Der Hurensohn hat Sie gelehrt, die Berührung eines jeden Mannes zu fürchten.“
„Also ist mein Verlobter ein brutaler gewalttätiger Kerl, der mir wehtun würde.“
„Ja.“
„Und das soll mir helfen, mich besser zu fühlen?“
„So, wie ich es sehe, könnten Sie sich nicht noch schlechter fühlen.“
Verlegen hielt sie sich die Hände vor ihr Gesicht. „Sie begreifen nicht“, sagte sie.
„Dann erklären Sie es mir. Ich höre zu.“
Sie atmete zitternd ein. „Wenn er ein Vergewaltiger ist, dann heißt das, dass ich zu dumm bin, um zu wissen, wem ich trauen kann. Und wenn er es nicht ist, heißt das, dass ich ungeeignet für die Rolle einer Ehefrau bin. Wie man es auch betrachtet, ich bin immer der Verlierer.“
29. KAPITEL
T om stürzte sich in die Arbeit. Es gab noch hundert Dinge zu tun, damit sie den langen Winter überstehen würden, und es lag an ihm, sicherzustellen, dass nichts übersehen wurde. Außerdem lenkte die körperliche Tätigkeit ihn ab. Holz hacken, den Weg zum Vorratsraum vom Schnee frei halten, eine Vorrichtung zum Schneeschmelzen bauen, damit sie immer frisches Wasser hatten, Fallen für Kaninchen auslegen und Fische durch das Loch im Eis angeln – das alles war anstrengend, aber zumindest kannte er sich damit aus.
Deborah Sinclair war hingegen ein ganz anderes Problem. Er konnte sie nicht einfach flicken wie eine undichte Stelle im Dach. Er wusste nicht, wie.
Vierzehn Tage, nachdem er sie mit der Eröffnung konfrontiert hatte, dass ihr Verlobter ein Vergewaltiger war, benahmen sie sich immer noch wie argwöhnische Fremde, die unter einem Dach gefangen waren. Sie bereute es eindeutig, dass sie ihm anvertraut hatte, was ihr zugestoßen war. Obwohl sie die Mahlzeiten zusammen einnahmen und ihnen bewusst war, dass sie beide kein weiteres menschliches Wesen zu Gesicht bekommen würden, bevor der Frühling anbrach, gelang es ihnen, längere Zeitspannen zu verbringen, ohne miteinander zu sprechen oder sich in die Augen zu sehen.
So ist es besser, sagte er sich. Wenn sie miteinander redeten, sprach er aus, was er dachte, und damit schaffte er es irgendwie immer, sie zu beleidigen.
Was seltsam war, denn trotz ihrer Herkunft lag es ihm fern, eine Frau wie Deborah Sinclair zu beleidigen. Er schimpfte sich einen Idioten, weil er
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