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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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worden?
    „Vater“, rief sie und sprang aus dem Bett, lief zur Tür und riss sie auf.
    Zu ihrer Erleichterung sah sie ihn gleich; er hastete über den Flur zu ihr ins Zimmer, den Sack und den Gehstock in einer Hand und eine Kerosinlampe in der anderen.
    „Was war das für ein schrecklicher Lärm?“, fragte sie ängstlich.
    Er trat an eines der Fenster und stellte die Lampe auf dem Sims ab. „Die Gaswerknebenstelle. Kohlegas“, erklärte er, und seine Hand zitterte leicht, als er die Vorhänge zurückzog. „Hochexplosiv. Ich bin sicher, das war es, weil es im ganzen Haus kein Gaslicht mehr gibt.“
    Deborah stellte sich zu ihm und hielt erschrocken den Atem an. Das Feuer, das ihr vorhin nur einen Anflug von Sorge bereitet hatte, war entsetzlich weit vorangekommen. Alles gen Westen und Süden war ein Flammenmeer.
    „Gütiger Himmel“, hauchte sie. „Es hat den Fluss überquert. Die ganze Stadt brennt.“ Das unablässige Schreien der Schiffssirenen drang durch das Rauschen des Windes. Boote stauten sich hinter Brücken, verlangten, durchgelassen zu werden. Eine Glocke läutete klar und stetig Alarm. Rufe und das Klappern von Pferdehufen waren aus den benachbarten Straßen zu vernehmen. Deborah drückte ihre Fingerspitzen gegen die Fensterscheibe. Das Glas fühlte sich unnatürlich warm an.
    „Es ist dieser infernalische Wind“, sagte ihr Vater. „Ich bin zu Bett gegangen, weil ich dachte, er könne das Feuer unmöglich bis über den Fluss treiben, aber jetzt es hier. Es ist im Norden angekommen.“
    Wirbelwinde und heftige Böen trieben brennende Holzstücke von einem Gebäude zum nächsten. Häuser gingen in Flammen auf, eines nach dem anderen, als wäre eine Fackel weitergegeben worden. Feuerderwische tanzten in wütendem Tempo über Dächer. Die Straßen und Gehsteige aus Kiefernholzschwellen heizten das Inferno weiter an. Auf den Hauptstraßen flohen die Menschen zu Fuß oder in hoffnungslos überladenen Gefährten, die von verzweifelten Fahrern gelenkt wurden.
    Ein berstendes Geräusch zog Deborahs Aufmerksamkeit auf die Fenster im oberen Stockwerk des Hauses gegenüber. Unter ihrem ungläubigen Blick zersplitterten der Reihe nach alle Fensterscheiben. Es war, als hätte jemand sich eine Waffe genommen und sie zerschossen. Dann kam aus der Straße hinter dem Haus ein Fuhrmann, der die Pferde vor seinem vollgeladenen Wagen wüst mit der Peitsche antrieb, und als das Gespann unten vorbeistürmte, konnte sie sehen, dass die Ladung des Karrens selbst in Flammen stand.
    Huron Avenue war in eine Rauchwolke gehüllt. Deborah drehte sich zu ihrem Vater um und umklammerte seinen Ärmel. „Das hier ist ein Albtraum“, sagte sie. „Wir müssen los!“
    „Natürlich.“ Schlechterster Stimmung starrte er aus dem Fenster und verfluchte zum wiederholten Mal innerlich das verdammte Feuer. „Der Phaeton wartet in der Gasse hinter dem Haus. Ich habe anspannen lassen, bevor ich die Leute nach Hause geschickt habe. Kannst du in fünf Minuten abfahrbereit sein?“
    „In weniger“, versprach sie und griff nach ihrem Kleid, das an dem gepolsterten Kleiderständer in der Ecke hing. „Wohin gehen wir, Vater?“
    „Nach Avalon“, antwortete er, nannte den Namen des Sommerlandsitzes in Lake View, während er davoneilte, um sich fertigzumachen.
    Deborah hatte sich nur selten ohne Hilfe angekleidet. Bei formellen Anlässen war ihr Korsett so steif und eng geschnürt, dass sie sich noch nicht einmal bücken konnte, um sich die Schuhe anzuziehen. Heute Abend machte die drohende Gefahr einen Hohn aus der Eitelkeit, die ihr früher solche Freude bereitet hatte. Ihr weißes Batistnachthemd musste als Unterhemd und Unterrock herhalten, denn sie streifte sich ihr Kleid einfach darüber. Sie ließ ihr Haar, wie es war, unordentlich zu einem Zopf geflochten, schlüpfte rasch in Strümpfe und Schuhe und schlang sich ihren Schal um die Schultern.
    Sie würde sich erst wieder entspannen, wenn sie in Avalon angekommen waren. An der nördlichen Seeseite gelegen, direkt am Ufer mit herrlichem Ausblick auf das Wasser, wäre der Landsitz eine Oase der Ruhe, wo sie vor den Flammen sicher waren und abwarten konnten, bis das Feuer gelöscht war. Vielleicht konnte sie ihren Vater in der Zeit nach dem Brand dazu überreden, in Bezug auf ihre geplante Eheschließung Vernunft anzunehmen.
    Der Feuerschein fiel durch die Fenster, erhellte das Zimmer, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Alle ihre kostbaren und wunderschönen Besitztümer

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