Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Mädchenpensionat geschärft und poliert worden war, bis sie schimmerte. Sie hatte gelernt, dass sie eine Reihe weniger bewundernswerter Eigenschaften hatte und die Fähigkeit zur Täuschung.
Auf dem Deck vor ihr, verborgen unter der Wolldecke, lagen drei Signalfackeln. Sie hatte sie letzte Nacht unter einer Bank gefunden und an sich genommen. Seitdem hatte sie auf die richtige Gelegenheit gewartet. Da gerade zwei Schiffe den Hafen verließen, war der Augenblick günstig. Wenn sie ein Notsignal sahen, würden sie glauben, der kleine Kutter stehe im Begriff zu sinken, und würden zur Rettung kommen. Die Seegesetze verpflichteten alle Seeleute in einer Notsituation zur gegenseitigen Hilfe.
Deborah würde den vorbeifahrenden Schiffen zurufen, und wenn sie ganz viel Glück hatte, würde vielleicht sogar ein Patrouillenboot der Küstenwache die Fackel erspähen und kommen, um nach dem Rechten zu sehen. Sie blickte zu dem alten Rettungsring, der an der Bordwand angebracht war. Wenn nötig würde sie auch ins eisige Wasser springen. Es war ihr egal, dass ihr letzter Fluchtversuch gescheitert war. Inzwischen wusste sie, dass es Schlimmeres gab, als zu ertrinken.
In der Nachmittagssonne schimmerte der Rumpf des Schoners in der Ferne verheißungsvoll, als wäre das Schiff erst vor Kurzem geschrubbt und frisch gestrichen worden. Es segelte etwa eine Viertelmeile südlich von ihnen, nah genug, um rasch zu reagieren, wenn sie die Signalfackel abfeuerte.
Deborah holte tief Luft. Es war an der Zeit.
Sie schaute über die Schulter, sah, dass Tom Silver im Ruderhaus beschäftigt war. Lightning Jack war unter Deck gegangen, und der Hund döste friedlich in der Herbstsonne.
Langsam klemmte sie die Fackel zwischen ihre Füße, um sie festzuhalten, während sie das Streichholz entzündete. Ein leichter Wind zerrte an der Decke. Das Streichholz flammte mit einem schwefelhaltigen Zischen auf, dann erlosch es sogleich, von der Brise ausgeblasen.
Deborahs Hand zitterte, als sie das zweite Streichholz anmachte und dabei den widerlichen Schwefelgeruch einatmete. Sie biss die Zähne zusammen und hielt eine Hand um die brennende Spitze des Streichholzes. Dieses Mal beugte sie sich dicht darüber, um das empfindliche Feuer zu schützen, und führte es an die Zündschnur der Signalfackel. Die winzige schwache Flamme flackerte und erlosch abermals.
Mit heftig klopfendem Herzen versuchte sie es ein drittes Mal, während sie halblaut betete, dass es ihr dieses Mal gelingen möge.
Die Zündschnur begann zu glimmen, dann fing sie mit einem kleinen Funkenregen Feuer. Aus tiefem Schlaf gerissen sprang Smokey auf die Füße und begann schrill zu bellen.
„Dem Himmel sei Dank“, flüsterte Deborah und hob die Fackel hoch, stand auf und schwenkte sie über ihrem Kopf. Kraftvoller als sie sich zugetraut hätte, warf sie die Signalfackel hoch in die Luft. Laut zischend stieg das Geschoss in den Himmel, zog hinter sich eine Wolke aus grünem Rauch her.
Deborahs Hände zitterten noch immer, als sie sich beeilte, eine weitere Fackel zu entzünden. Sie durfte sich nicht darauf verlassen, dass ein Signal allein reichen würde, die Aufmerksamkeit zu erregen, von der sie sich ihre Rettung versprach. Die Zündschnur der zweiten Signalfackel wollte einfach nicht anbrennen, aber Deborah versuchte es weiter. Oh bitte, flehte sie stumm. Bitte lass mich von diesen Verrückten entkommen.
Schwere Schritte näherten sich ihr. Nach allem, was ihr seit Samstagabend zugestoßen war, hätte das Geräusch von eilig nahenden Männerschritten sie eigentlich in Angst und Schrecken zusammenkauern lassen müssen. Doch das Hochgefühl, das sie erfasst hatte, ließ keinen Raum für Furcht. Zum wiederholten Mal binnen weniger Stunden hatte sie eine eigene Entscheidung getroffen und für sich selbst Verantwortung übernommen. Es war eine reife Leistung für eine Frau, der von der Wiege an beigebracht worden war, ein puppenähnliches Schmuckstück zu sein, das bestenfalls in der Lage war, Anweisungen zu befolgen.
Als sie die Wut in Tom Silvers Gesicht sah, der auf sie zueilte, ließ sie die Decke fallen und lief zur Reling, „Hilfe!“, schrie sie und winkte mit den Armen in Richtung Schoner. Der kleine Hund hörte nicht auf zu kläffen und rannte an der Reling entlang. Plötzlich fühlte Deborah sich keineswegs mehr stark, stattdessen machte sich erneut Verzweiflung in ihr breit. „Hilfe!“, schrie sie wieder.
Die großen Segel des Schoners zuckten in Antwort auf eine
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