Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
verschlossen. Auf Silvers Nicken hin trat Deborah ein, während er auf der Veranda die Fensterläden öffnete.
Einfache Musselin-Vorhänge aus Mehlsäcken waren über den Fenstern befestigt, filterten das Sonnenlicht. Die Luft roch nach der längeren Abwesenheit des Bewohners leicht abgestanden und rauchig von dem zuletzt benutzten Feuerholz. Deborah legte das Päckchen hin, das sie in der Hand gehalten hatte, und wartete, bis ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Sie sah einen schwarzen Eisenofen und eine Leiter, die auf den Dachboden führte. Eine lange, sauber geschrubbte Arbeitsplatte mit einer Spüle und Wasserpumpe. Eine hölzerne Sitzbank vor dem Kamin. Einen Tisch und Stühle, Teller und Schüsseln aus Emaille, die ordentlich in ein Regal über der Spüle gestapelt waren.
Immer zwei von jedem Stück.
„Sie werden hier schlafen“, erklärte Silver, der inzwischen ebenfalls eingetreten war, und drückte mit einem Fuß eine Tür auf. „Ich nehme den Dachboden.“
Sie folgte ihm in einen winzigen Raum mit niedriger Decke, einem Waschtisch und einer Bettstatt, auf der eine graubraune Wolldecke lag. Er deutete mit dem Daumen auf eine schmale Tür nach draußen. „Zum Abtritt geht es dort hinaus, und Sie können sich Wasser zum Waschen aus der Küche holen.“ Er stellte die Weidentruhe ab, die er getragen hatte, dann drehte er sich um und verließ den Raum.
Deborah stand reglos, versuchte sich mit der Situation abzufinden. Er wollte, dass sie in diesem Haus blieb – mit ihm allein. Tagein, tagaus, bis ihr Vater kam, um sie zu holen. Die Vorstellung, mit irgendeinem Mann allein zu sein, besonders aber mit diesem zügellosen Hünen, sollte sie gewaltig erschrecken. Stattdessen machte die ganze Sache sie ärgerlich.
„Was soll ich denn tun ?“, fragte sie laut.
Seine Schritte im angrenzenden Raum hielten einen Augenblick inne, erklangen wieder, als er zurück zur Tür kam. „Tun?“
„Mit meiner Zeit. Was erwarten Sie von mir, soll ich die ganze Zeit tun?“
„Das weiß ich nicht.“ Es war zu dunkel, um zu erkennen, ob er lachte. „Was immer Debütantinnen so tun.“
Sie rümpfte die Nase. „Ich wünschte, Sie würden aufhören, mich so zu nennen. Sie wissen überhaupt nicht, was eine Debütantin ist.“
Mit einem Schritt war er bei ihr, ragte über ihr auf, sperrte mit seinen breiten Schultern das Tageslicht aus. Er hob eine Hand und fuhr ihr gleichgültig-unverfroren mit einem rauen Finger über die Wange. Unverschämt eindringlich musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Ich denke, das weiß ich jetzt sehr wohl, Prinzessin“, sagte er mit leiser Drohung in der Stimme.
Ihr Herz klopfte wild, hämmerte wie verrückt in ihrer Brust, eine schmerzliche Erinnerung an ihre Feigheit. Wann würde die Furcht aufhören? Niemals, wenn er sie weiter wie einen Feind behandelte. Verachtung und Abscheu vortäuschend warf sie den Kopf in den Nacken und machte einen Schritt nach hinten. „Fühlen Sie sich stärker und größer, männlicher, wenn Sie mir Angst einjagen?“, rief sie aufbegehrend. Sie wunderte sich, woher sie plötzlich diesen Widerspruchsgeist nahm. Trotz ihres Ärgers freute es sie, dass sie imstande war, wenigstens ab und an ein wenig Rückgrat zu zeigen. „Ist das der Grund, warum Sie sich so benehmen?“, hakte sie nach.
Er lachte. „Nein. Ich tue es, weil Sie wesentlich interessanter sind, wenn Sie wütend sind.“ Wieder verließ er die Kammer, diesmal ging er zur Küchentür, um die Vorräte hereinzuholen.
Deborah fühlte, dass sie kurz davor stand, der restlosen Verzweiflung nachzugeben, die sich ihrer bemächtigte. Sie war an dem merkwürdigsten Ort überhaupt, unter Fremden, ohne die geringste Ahnung, wie sie sich aus ihrer prekären Lage befreien sollte. Sie trat ans Fenster, schob den Vorhang zur Seite, der ganz steif war aufgrund seines Alters und des Staubs, der sich darin gesammelt hatte. Eine riesige schwarze Spinne lief über das Fensterbrett. Deborah stieß einen leisen Schrei aus und sprang zurück.
Mit der Faust vor dem Mund wankte sie zurück zum Bett und ließ sich darauf sinken. Sie erwog, in Tränen auszubrechen, aber ihr war klar, dass Weinen nichts ändern würde, sodass sie stattdessen den Kopf in ihren Händen barg. Die Seile, die unter der Matratze über das Bettgestell gespannt waren, knarrten unter ihrem Gewicht, und als sie sich anders hinsetzte, spürte sie eindeutig, dass darunter etwas war. Mit gerunzelter Stirn kniete sie sich neben das
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