Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
geschah.
„Die Inselbewohner haben ein neues Unternehmen hier begrüßt – anfangs wenigstens“, sprach Tom Silver weiter. „Es sind arme Leute, vor allem Holzfäller und Fischer. Als die Bergbaugesellschaft mit dem großartigen Plan Ihres Vaters herkam, fand sie ein bereitwilliges Publikum. Man machte verzweifelten Männern großartige Versprechungen. Sie würden über Nacht reich werden. Sie würden nie wieder arbeiten müssen, wenn sie erst einmal die große Ader entdeckt hätten.“ Er schüttelte den Kopf. „Die meisten besaßen genug Verstand, das nicht zu glauben, aber fünfzehn Männer und Jungen ließen sich von ihren Worten den Kopf verdrehen. Die Gesellschaft ließ einen nichtsnutzigen Aufseher als Verantwortlichen zurück und versprach Sonderzahlungen, wenn der Abbau schnell vonstattengehen würde. Es wurden Preise für das erste Metall ausgelobt, das gefördert werden würde. Sie kümmerten sich nicht um Sicherheitsmaßnahmen oder Umsicht oder darum, sich die Zeit zu nehmen, alles richtig vorzubereiten. Sie dachten nur daran, die Ader so bald wie möglich auszubeuten.“
Am Ende ihres Rückgrates spürte Deborah etwas Kaltes, als berührte sie dort ein eisiger Finger. Sinclair Mining hatte den Betrieb im Lake Superior im Laufe des Sommers eingestellt. Sie erinnerte sich daran, eine Nachricht dieses Inhalts in der Tribune gelesen zu haben. Jetzt wusste sie, warum. Ihr Vater hingegen hatte mit keinem Wort irgendeine Tragödie oder Katastrophe erwähnt. Er hatte einfach seine Aufmerksamkeit Sinclair Grain Futures oder Sinclair Shipping oder Sinclair Railways zugewandt. Er gründete und schloss Unternehmen, wie eine modebewusste Frau Kleider anprobierte und wieder weglegte.
Dies ist sicher nicht der richtige Weg, den Respekt zu erlangen, den er so unbedingt gezollt bekommen will, überlegte sie. Er sehnte sich nach dem „alten Geld“ und der damit einhergehenden Lebensweise, aber er benutzte neues Geld, um sich sein Ziel zu erkaufen. Sie wünschte sich, er würde begreifen, dass es so nicht funktionierte. Familien, die sich in dem Stil, den ihr Vater sich wünschte, etabliert hatten, war das gelungen, indem sie etwas erschaffen hatten, das von Dauer war, das Substanz hatte.
Sie hatte keine Ahnung, wann sie ihren Vater wiedersehen würde. Sie hatte keine Ahnung, was sie zu ihm sagen sollte, nachdem sie das hier überstanden hatte. Sie hatte keine Ahnung, erkannte sie trostlos, wie ihr Vater reagieren würde, wenn er dieses tote Stück Land zu Gesicht bekam, wo sein Unternehmen der Erde eine Wunde geschlagen hatte und sieben Menschenleben gefordert hatte.
Sie betrachtete die Rosen, von denen ein paar trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch tapfer blühten, die meisten aber verwelkt waren. Insgesamt sieben sich abquälende Rosenbüsche zählte sie. Sie waren zu Ehren der Opfer gepflanzt worden, das wusste sie, ohne fragen zu müssen.
„Erzählen Sie mir von dem Unfall“, bat sie.
„Fünfzehn Männer meldeten sich, um hier zu arbeiten. Sie wurden von dem Versprechen auf guten Lohn, Bonuszahlungen und vielleicht sogar einem Anteil am Gewinn gelockt. Aber es gab keinen Gewinn. Sieben starben bei der Explosion. Einer der Toten war Asa. Er war vierzehn Jahre alt.“
Asa. Ein biblischer Name, ein Name für Könige. Die Übelkeit, die Deborah in der Kehle brannte, wurde saurer, drängender. Sie war kaum in der Lage zu schlucken. „Mr Silver“, flüsterte sie. „Es tut mir so leid wegen Ihres Sohnes.“
„Er war mein, und ich war sein, aber er war mein Pflegesohn.“
Sie fühlte sich zu diesem Mann hingezogen, lernte, hinter die harte Schale seines Äußeren zu sehen und in sein Herz. Sie hatte ihn beschuldigt, herzlos zu sein, aber jetzt wusste sie, dass das nicht stimmte. Sie hatte es vermutlich seit dem Augenblick gewusst, seit er seine Chance hatte verstreichen lassen, auf ihren Vater zu schießen, um sie vor den Flammen zu retten.
„Wie kam es, dass er Ihr Pflegesohn wurde?“
„Im Krieg habe ich einen Mann namens Kane kennengelernt.“ Tom blickte in die Ferne, während er erzählte. „Er war ein Adjutant des Oberbefehlshabers aus Michigan. Er hat mir gesagt, ich solle ihn nach dem Krieg besuchen, und das habe ich getan. Er besaß eine kleine Farm in Battle Creek – mit frischen Gräbern hinten im Garten. Er hatte seine Frau und seine Tochter an die Influenza verloren, und er selbst war auch schon ziemlich schlimm erkrankt. Er und Asa hatten keine lebenden Angehörigen. Als
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