Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Bein vor sich, einen Vater, der ihr jeden Wunsch erfüllte, einen ehrgeizigen gesellschaftlichen Aufsteiger, der ihr die Welt eröffnen wollte und vor nichts haltmachte, um das zu erreichen. Das, was sie eben über ihn erfahren hatte, veränderte alles. Ja, ihr war immer klar gewesen, dass er ein ehrgeiziger Geschäftsmann war, aber hatte er wirklich gelogen und betrogen, nur um keine finanziellen Verluste zu erleiden?
„Verstehen Sie ihn denn?“, fragte Tom Silver.
Deborah zuckte zusammen. „Gut genug, um zu wissen, dass Sie ihn nicht in den Bankrott treiben können. Seine Geldanlagen sind zu weit gestreut. Ich kann Ihnen gar nicht alle Unternehmen aufzählen, an denen er beteiligt ist. Außerdem, selbst wenn Sie ihm den letzten Cent abnähmen, würde er einen Weg finden, sein Vermögen neu aufzubauen. So ist er. Jemand, der überlebt.“ Sie sagte das ohne jeglichen Stolz, denn sie konnte nicht länger stolz auf das sein, was ihr Vater erreicht hatte. „Dennoch ist er reich genug, jeder Familie, die von der Katastrophe in der Mine betroffen ist, volle Wiedergutmachung zu leisten. Sie selbst eingeschlossen.“
„Ich habe Asa verloren, nicht ein Einkommen auf Lebenszeit. Dieser Verlust kann nicht mit Silber und Gold aufgewogen werden.“
Sie fragte sich, ob ihm bewusst war, dass er bereits das eine getan hatte, das ihren Vater treffen musste. Indem er sie entführt hatte, hatte er ihm alles genommen, worauf er zählte. Sie war die Hoffnung ihres Vaters auf eine bessere Zukunft, auf Erlösung, auf Ansehen.
Aber nur, wenn sie Philip Ascot heiratete.
Sie fröstelte, und eine Böe kam vom See, riss rote und bernsteinfarbene Blätter vom Zuckerahorn und rauschte durch das Dornengestrüpp um sie herum.
„Am besten gehen wir zurück, bevor es dunkel wird“, verkündete Tom.
Sie wandte sich um, um auf demselben Weg, auf dem sie hergekommen war, wieder zurückzukehren. Der trockene Boden, übersät mit Steinchen, war unter ihren Sohlen rutschig, und sie musste sich immer wieder an Zweigen und Felsvorsprüngen festhalten. Den ganzen Abstieg hindurch spürte sie Tom Silvers Gegenwart hinter sich. Er berührte sie kein einziges Mal, sprach auch kein Wort, und als sie unten angekommen waren, war es dunkel geworden auf Isle Royale.
14. KAPITEL
D eborah Sinclair erinnerte Tom an einen Soldaten nach der Schlacht. Er hatte sie tagelang heimlich beobachtet, und so unwahrscheinlich es auch klang, sie strahlte eine gewisse Resignation aus, die Erinnerungen an den Krieg weckte.
Sie war wie ein Kampfes müder, entmutigter Krieger. Im Licht des Feuers auf dem Kamingitter an jenem Abend wirkte ihr Gesicht angespannt, ihre Augen waren zu unruhig und wachsam. Unwillkürlich musste er an sich selbst denken, als er nach der Schlacht von Kenaha Falls so niedergeschlagen und müde gewesen war, dass er sich kaum dazu in der Lage gefühlt hatte, den nächsten Atemzug zu tun. Warum spiegelten sich in Deborahs Augen dasselbe Grauen und dieselbe Verzweiflung?
Natürlich, selbst der beherzteste Soldat wäre unvorbereitet auf das alles vernichtende Feuer gewesen, das sich Sonntagnacht durch Chicago gewälzt hatte. Das Flammeninferno hatte sich wie der Zorn Gottes angefühlt, und Deborah wie alle anderen hatten unvorstellbare Schrecken erlebt.
Ein brennendes Holzscheit kippte auf dem Feuerrost um, sandte einen Funkenschauer den Schornstein hoch. Deborah zuckte mit keiner Wimper. Vielleicht blinzelte sie, aber das war alles. Während des Feuers in Chicago hatte sie nicht die Fassung verloren, wie er es bei so vielen anderen gesehen hatte. Genau genommen hatte sie einen kühlen Kopf bewahrt, hatte sogar einen Hund gerettet und sicher an das Ufer des Sees gebracht. Tom begann sich zu fragen, ob die Unruhe, die sie stets umzutreiben schien, am Ende nicht eine ganz andere Ursache hatte.
Vielleicht, räumte er ein und stand auf, um ein neues Holzscheit ins Feuer zu legen, deutete er ihr Verhalten einfach falsch. Vielleicht war es auch ganz normal, dass eine Frau, die aus der oberen Gesellschaftsschicht stammte, so verdammt schreckhaft war. Er hatte nie zuvor eine reiche Erbin kennengelernt. Es war seltsam, mit ihr allein zu sein, ohne Lightning Jack. Der hatte seinen Kutter mit Fässern voller gesalzener Fische geladen und war wieder aufgebrochen.
„Was schauen Sie so?“, fragte sie plötzlich.
Er hatte nicht gemerkt, dass ihr sein nachdenklicher Blick aufgefallen war. „Ich frage mich nur gerade, ob alle Ihrer Art so schreckhaft
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