Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
erwiderte er vorsichtig. Sie hatte den Eindruck, als hielte er etwas zurück.
„Nicht alle glauben, dass man mit Rache Wiedergutmachung erreichen kann.“
Er kniff die Augen zusammen. „Wer sagt denn, ich sei auf der Suche nach Wiedergutmachung?“
Sie lachte ungläubig. „Mr Silver, wenn es je einen Mann gab, der Wiedergutmachung braucht, dann sind Sie es.“
„Wie meinen Sie das?“
Sie richtete ihren Blick auf die Straße vor ihnen. „Macht nichts. Ich habe schon zu viel gesagt. Wie es um Ihre unsterbliche Seele bestellt ist, geht mich nichts an.“ Sie war erstaunt über sich selbst, weil sie so frei mit ihm gesprochen hatte. Aber möglicherweise war es ganz normal, dass man in Gefangenschaft eine ungesunde Zuneigung zu seinem Entführer entwickelte. Es wäre besser, wenn sie sich darauf konzentrierte, einen Weg zu finden, wie sie ihm entkommen konnte.
Das Postschiff entpuppte sich als kleiner Schlepper, dessen Schornstein eifrig dampfte, während er anlegte. Als Deborah und Tom den Landesteg erreichten, lud ein bärtiger Mann mit eng zusammenstehenden hellen Augen gerade Kisten von Bord. Tom Silver begrüßte ihn. Der Mann blickte Deborah mit unverhohlener Neugier an, aber er ließ seinen Blick für ihren Geschmack etwas zu lang auf ihr ruhen.
Tom schenkte ihr keine weitere Beachtung, während er begann, die Kisten auf einen zweirädrigen Wagen zu verladen. „Kannst du ein wenig bleiben, Silas?“, erkundigte er sich.
„Heute nicht. Ich sehe besser zu, dass ich nach Rock Harbor komme, ehe das Wetter umschlägt.“
Deborah hatte Rock Harbor auf einer der Karten von Lightning Jack gesehen. Die Siedlung lag auf der anderen Seite der Insel, vielleicht vierzig Meilen von hier entfernt.
„Warten Sie“, sagte sie. „Nehmen Sie mich bitte mit.“
Der Mann rieb sich den Bart. „Sie möchten nach Rock Harbor?“
„Nein, ich möchte mit Ihnen zurück aufs Festland.“ Sie wagte es nicht, zu Tom Silver zu schauen, obwohl sie seinen eindringlichen Blick spürte. „Ich kann Sie bezahlen.“
„Ach ja?“ Der blasse Mann namens Silas wirkte interessiert. Zwischen zwei Fingern, die von Rauch und Tabak dunkelgelb verfärbt waren, hielt er eine Zigarre.
„Bitte.“ Deborah verschränkte bittend die Hände. „Ich gehöre hier nicht her. Tom Silver hat mich gezwungen, gegen meinen Willen mit ihm herzukommen. Jeder mit einem Funken Anstand und Ehre würde mir helfen. Es gibt auch eine Belohnung für meine sichere Heimkehr, da bin ich sicher.“
Wieder musterte er sie eindringlich. „Ist das so?“
Etwas an der Art und Weise, wie er sie anstarrte, ließ sie bis ins Mark gefrieren. Sie spürte ein Aufwallen von Unbehagen bei der Aussicht, mit ihm das Postschiff zu besteigen. Ihr stockte der Atem, aber sie schluckte fest, bekämpfte ihre Furcht. „Alles, was ich möchte, ist zurück aufs Festland zu kommen, damit ich mich auf den Weg nach Chicago machen kann.“
„Ich nehme an, das ließe sich einrichten.“ Umgeben von den hellen Barthaaren schimmerten seine Lippen rot und feucht. „Aber nicht umsonst.“
Deborah versuchte sich dazu zu überwinden, auf den Anlegesteg zu gehen. Sie wollte Tom Silver trotzen und einfach mit dem Skipper in das Boot steigen. Aber er hatte etwas an sich, das sie abstieß. Die Furcht, die ihr den Magen verkrampfte, mahnte sie, dass es Männer gab, die für Frauen wie sie eine Gefahr darstellten. Sie war hin- und hergerissen. Hier war jemand, der ihr zur Flucht verhelfen konnte, aber sie hatte zu große Angst, die Chance zu nutzen.
Verzweifelt verbot sie es sich, jetzt in Tränen auszubrechen. „Ich … ich glaube, ich habe meine Meinung geändert“, erklärte sie. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte wieder über die Straße zurück zu dem Handelsposten. Als sie auf der Türschwelle von Tom Silvers Haus stand, hätte sie am liebsten vor Enttäuschung geschrien. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wem sie trauen konnte. Sie sank auf der untersten Treppenstufe in sich zusammen und schlang die Arme um ihre angezogenen Knie.
Als Tom Silver auf den Hof kam und den Karren neben dem Seiteneingang zu seinem Laden abstellte, durchbohrte sie ihn mit ihren Blicken.
„Sie haben die richtige Entscheidung getroffen“, sagte er.
„Wie wollen Sie wissen, was die richtige Entscheidung für mich ist?“
„Er ist ein guter Skipper“, erklärte Tom. „Aber er steht im Ruf, gern mal ein wenig grob zu werden, wenn es um Frauen geht.“
Grob. Das Wort beschwor
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