Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Angst zu haben, als er sein Gesicht dicht vor ihres hielt.
„Sie werden mir den Witz daran erklären müssen, Prinzessin“, sagte er. „Weil ich ihn nicht verstehe.“
Das sich in ihr überschlagende Gefühl, das für ihr Gelächter verantwortlich war, ließ langsam nach. Es folgte der Schmerz der Verlassenheit, das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein, so heftig, dass es körperlich wehtat. „Jetzt sind Sie der Dumme, Mr Silver.“ Sie starrte auf seine Hand, die auf ihrem Arm ruhte. Warum kämpfte sie nicht gegen ihn? Warum jagte er ihr keine Angst mehr ein?
Sie schüttelte die Haare nach hinten. „Sie dachten, Sie hätten die wertvollste Geisel von ganz Chicago entführt“, sagte sie. „Doch jetzt stellt sich heraus, dass ich wertlos bin.“ Sie lachte leise, aber es klang nur schwach, denn nach ihrem Lachanfall eben hatte sie kaum noch Kraft in sich. „Vollkommen, absolut wertlos.“
Die Worte laut auszusprechen bestätigte die Befürchtung, die Deborah schon so lange gehegt hatte. Sie erkannte, dass ihr Vater ihr nicht verziehen hatte, dass sie sich weigerte, Philip Ascot zu heiraten. Die geplante Verbindung mit den hoch geachteten Ascots hatte ihrem Vater alles bedeutet. Offenbar hatte sie nie ganz begriffen, bis zu diesem Augenblick wenigstens, wie viel Wert ihr Vater auf die bevorstehende Hochzeit gelegt hatte.
Arthur Sinclair war ihr ein Rätsel – das war ihr gerade erst klar geworden. Wann hatte ihr Vater aufgehört, in ihr seine Tochter zu sehen, und begonnen, sie als Schachfigur in seinem Spiel zu betrachten, Fuß in der guten Gesellschaft zu fassen? Vielleicht hatte er sie nie als Tochter gesehen. Sie fing erst jetzt an zu realisieren, welchen Platz sie in der Welt einnahm, die er geschaffen hatte.
Sie hatte keinen Platz in seinem Herzen. Nur in seinen Plänen.
Während Tom Silver sie weiter festhielt – sie hatte immer noch keine Ahnung, warum sie seine Nähe nicht ängstigte – zwang sie sich, ihre Hand zu öffnen und das Telegramm erneut zu lesen.
Die Worte trafen sie wie Steine, die auf sie geschleudert wurden. Sie klangen so nach ihrem Vater, so nach Arthur Sinclair.
Sie haben sie entführt, dann behalten Sie sie. Eine Tochter, die nicht mehr heiratsfähig ist, ist für mich wertlos.
Sie fragte sich, was Tom Silver gerade dachte. Sein Gesicht verriet nichts. Zunächst. Dann ließ er sie jäh los. Sie machte einen Schritt zurück, wartete. Er sagte das Wort wieder, das, das sie nicht kannte.
Aber irgendwie wusste sie trotzdem, was es ausdrückte.
„Was, zur Hölle, meint er mit ‚nicht heiratsfähig‘?“
Sie hatte wieder Schwierigkeiten beim Atmen. „Nun, genau das, was Sie denken, was es heißt. Ich kann nicht mehr verheiratet werden.“
Seine dunklen Augen wurden schmal. „Warum nicht? Haben Sie irgendeine Ahnung, warum er das behauptet?“
Scham durchzuckte sie sengend heiß. „Ja.“
„Macht es Ihnen etwas aus, es mir zu erklären?“
„Ja“, antwortete sie wieder. Ihr Magen hob sich. Sie schlang die Arme um sich, versuchte, die Übelkeit zurückzudrängen. Sie ging nach draußen an die frische Luft, entfernte sich von der Siedlung. Sie blieb an einem kleinen klaren Bach stehen, der über die felsigen Klippen am Ufer plätscherte. Tom Silver war ihr gefolgt, stellte sich ein kleines Stück hinter sie.
„Ich warte immer noch auf meine Antwort“, sagte er.
Sie wusste, was die Nachricht ihres Vaters hieß. Ihr Herz raste, als sie sich zwang, zu sprechen.
„Ich …“ Sie konnte und wollte diesem grausamen Fremden nicht ihre dunklen Geheimnisse verraten. Verzweifelt seufzte sie und knetete angespannt die Hände.
„Sind Sie krank oder so etwas?“
„Nein, ich bin nicht krank, verdammt. Ich bin ruiniert!“ Die Worte brachen aus ihr hervor und hingen zwischen ihnen in der Luft, hallten durch die Stille, die sie umgab. Sie wünschte, sie könnte sie zurücknehmen, sie herunterschlucken und sie auf ewig verstecken. Sie hatte nicht vorgehabt, diesem Mann so viel von sich preiszugeben. Sie machte ein paar Schritte und schlug den Weg zum Seeufer ein.
Er kam ihr hinterher, starrte einen langen Augenblick auf ihre verkrampften Hände, dann in ihr Gesicht. „Ruiniert“, wiederholte er schließlich. „Wenn Sie ein Pferd wären, würde ich denken, es heißt, dass Sie zu hart rangenommen worden sind, zu fest an der Kandare gezogen wurden.“ Er runzelte die Stirn, dann hob er die Augenbrauen, als ihm dämmerte, was damit gemeint sein musste. „Ach so,
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