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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Bilder herauf, die sie nicht sehen wollte.
    Tom Silver öffnete die große Türe an der Rückseite des Ladens. „Ich dachte, Sie wüssten es gerne: Ein Telegramm von Ihrem Vater ist eingetroffen.“
    Mit einem Ruck richtete sie sich auf. Silver nahm den Griff des Wagens und schob ihn zur Rückseite. Da sie ihm nicht wie ein Fischweib hinterherrufen wollte, beeilte sie sich, ihm zu folgen. Gott sei Dank, dachte sie. Gott sei Dank wusste ihr Vater nun, wo sie war. Arthur Sinclair war jemand, der Probleme löste. Konfrontierte man ihn mit Schwierigkeiten, so fand er einen Weg, sie zu umgehen. Sie war oft genug Zeuge seines Verhandlungsgeschicks gewesen, ob er nun Streitigkeiten unter den Hausangestellten geschlichtet oder Streiks in den Schlachthöfen befriedet hatte. So viel Einblick hatte er ihr dann doch in sein Arbeitsleben gewährt.
    Sicherlich würde es ihm gelingen, seine einzige Tochter aus dieser öden Wildnis zu retten.
    „Was schreibt er?“, fragte sie, unfähig, länger zu schweigen. „Wann wird er kommen?“
    „Ich denke, das werden wir schon merken.“
    „Woher kam das Telegramm?“ Sie versuchte, nicht vor Ungeduld mit den Zähnen zu knirschen.
    Er schaute sie nicht an, sondern ging die Lieferrampe hoch. „Das nächste Telegrafenamt ist in Copper Harbor.“
    Während sie hinter ihm in den Laden ging, überschlug sie schon im Geiste, wie lange es noch dauern würde, bis sie wieder zu Hause bei ihrem Vater wäre. Sicher, sie hatten sich nicht in bestem Einvernehmen getrennt. Er hatte sich geweigert, sie anzuhören, als sie mit ihm über Philip Ascot hatte reden wollen. Dennoch war sie sich sicher, er würde mit ein wenig Zeit einsehen, dass sie diesen Mann nicht heiraten konnte, unabhängig von seiner Stellung und seiner Bedeutung in der Gesellschaft.
    Sie blickte Tom Silver an, der die Klappe in der Theke öffnete und dahinter trat. Bedächtig faltete er das bernsteinfarbene Papier auseinander und breitete es auf der Theke aus. Er starrte darauf, dann schaute er Deborah an.
    Er stieß ein Wort aus, das sie nie zuvor gehört hatte, aber sein Tonfall ließ sie ahnen, dass sie die Bedeutung auch lieber nicht wissen wollte. Dann verließ er den Raum. Sie konnte ihn auf der Rückseite des Gebäudes hören, wie er fluchend Kisten stapelte.
    Ein Schauer überlief sie, als sie einen Schritt auf die Theke zu machte. Die Nachricht von ihrem Vater lag da, lockte sie verheißungsvoll.
    Ihre Hand zitterte, als sie das Schriftstück nahm und zu sich umdrehte.
    Sie musste den Text zweimal lesen, ehe sie den Inhalt erfasste.
    Der Laut, der ihr entfuhr, war merkwürdig und fremd, wie der Schrei eines in die Enge getriebenen Tieres. Sie umklammerte das Telegramm mit einer Hand und presste die andere zur Faust geballt gegen ihr Brustbein. Sie konnte ihr Herz hart in ihrer Brust klopfen spüren, konnte den Rhythmus ihres Atems hören, aber sie fühlte sich in ihrem Körper wie eine Fremde. Ihr ganzes Leben lang war sie die Tochter von Arthur Sinclair gewesen. Jetzt, binnen eines einzigen Augenblicks, war sie das nicht mehr. Sie war niemand.
    Sie musste wieder daran denken, wie sie für einen Augenblick mit dem Gedanken gespielt hatte, inmitten der Feuersbrunst zu verschwinden. Jetzt war ihr Wunsch wahr geworden. Sie musste ihrem Vater nicht länger gehorchen, weil sie keinen Vater mehr hatte. Sie war von dem Mann den Wellen überlassen worden, der ihr Beschützer gewesen war. Wie ein misslungenes Geschäft war sie einfach zu den Akten gelegt worden.
    „Oh Vater“, flüsterte sie. „Vater, wie konntest du nur?“
    Tom Silver konnte ihr gequältes Wispern nicht gehört haben, aber er kam wieder zur Hintertür herein und musterte sie besorgt. Er schwieg jedoch weiterhin. Er hatte kein einziges Wort mehr gesagt seit dem Fluch, den er vor ein paar Minuten von sich gegeben hatte.
    Es gab nur eines, was sie tun konnte, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, und das war lachen. Sie musste, denn anderenfalls hätte sie sich in Tränen aufgelöst. Daher warf sie den Kopf in den Nacken und lachte so heftig, sie konnte. Sie lachte, bis ihr die Tränen kamen, lachte, bis sie wieder trockneten. Lachte, bis ihr die Lunge brannte. Die ganze Zeit über stand Tom Silver da und beobachtete sie so argwöhnisch, wie man den Insassen einer Irrenanstalt betrachtete.
    Schließlich durchquerte er den Raum, trat zu ihr und fasste sie an den Oberarmen. Sie vergaß, sich gegen ihn zu wehren, vor seiner Berührung zurückzuzucken, vergaß

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