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Ismael

Ismael

Titel: Ismael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Quinn
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werden, solange dieser Irrglaube ihn beherrscht? Wenn er glaubt, er sei uns ebenbürtig, dann ist er zu allem imstande. Er wird sich in seiner Anmaßung im Garten umsehen und sagen: >Hier ist alles falsch eingerichtet. Warum soll ich das Feuer des Lebens mit all diesen Geschöpfen teilen? Sieh dort, die Löwen, Wölfe und Füchse fressen die Tiere, die ich eigentlich selbst haben will. Das ist böse. Ich werde diese Geschöpfe töten, und das ist gut. Und sieh hier, die Kaninchen, Heuschrecken und Spatzen fressen die Früchte, die ich selbst essen möchte. Das ist böse. Ich werde diese Geschöpfe töten, und das ist gut. Und sieh hier, die Götter haben mein Wachstum begrenzt, wie sie das Wachstum aller Geschöpfe begrenzt haben. Das ist böse. Ich werde grenzenlos wachsen und alles Feuer des Lebens, das durch diesen Garten fließt, für mich selbst beanspruchen, und das ist gut.< Und jetzt sagt: Wenn es dazu kommt, wird Adam dann nicht bald die ganze Erde verschlungen haben?«
    »Wenn es dazu kommt, sagten die anderen, »wird Adam die Erde in einem einzigen Tag verschlingen, und am Ende dieses Tages wird er sich selbst verschlingen.«
    »Genau«, sagte der Gott, »es sei denn, er kann von der Erde fliehen. Dann wird er das Universum verschlingen, wie er zuvor die Erde verschlungen hat. Und anschließend wird er unweigerlich sich selbst verschlingen, denn das muß jede Kreatur, die grenzenlos wächst.«
    »Es wäre ein schreckliches Ende für Adam«, sagte ein anderer Gott. »Aber ist nicht zu fürchten, daß er dasselbe Ende erleidet, wenn er nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ißt? Könnte er aufgrund seines Hungers nach Wachstum nicht versucht sein, das Feuer des Lebens an sich zu reißen, ohne sich einzureden, das sei gut?«
    »Vielleicht«, stimmten die anderen zu. »Aber was wäre die Folge? Er wäre ein Verbrecher, ein Ausgestoßener, der Leben stiehlt und die anderen Geschöpfe umbringt. Ohne die Überzeugung, daß das, was er tut, auch gut sei - und deshalb unbedingt getan werden müsse -, wäre er des Lebens als Ausgestoßener bald überdrüssig. Dasselbe wäre übrigens bei der Suche nach dem Baum des Lebens der Fall. Aber wenn er vom Baum der Erkenntnis ißt, wird er seinen Überdruß mit einem Schulterzucken abtun. Er wird sagen: >Was heißt das schon, daß ich des Lebens als Mörder der anderen Geschöpfe überdrüssig bin? Ich weiß, was gut und was böse ist, und so, wie ich lebe, ist es gut. Deshalb muß ich so leben, auch wenn ich dieses Leben überaus satt habe und die ganze Welt und sogar mich selbst vernichte. Die Götter haben der Welt ein Gesetz gegeben, dem alle folgen müssen, aber das Gesetz kann nicht für mich gelten, denn ich bin den Göttern ebenbürtig. Deshalb will ich außerhalb des Gesetzes leben und grenzenlos wachsen. Grenzen zu haben, ist böse. Ich werde das Feuer des Lebens aus den Händen der Götter stehlen und dann wachsen, und das wird gut sein. Ich werde alle Geschöpfe vernichten, die meinem Wachstum nichts nützen, und das wird gut sein. Ich werde den Göttern den Garten wegnehmen und ihn neu einrichten, damit er nur noch meinem Wachstum dient, und das wird gut sein. Und weil das alles gut ist, muß ich es tun, koste es, was es wolle. Vielleicht zerstöre und vernichte ich den Garten dabei. Vielleicht schwärmen meine Nachkommen über die Erde aus wie die Heuschrecken und fressen sie kahl, bis sie in ihrem eigenen Dreck ertrinken und einander hassen. Trotzdem müssen sie weitermachen, denn grenzenlos zu wachsen ist gut, und sich den Einschränkungen des Gesetzes zu beugen ist schlecht. Und wenn einer sagt: »Laßt uns die Last des verbrecherischen Lebens ablegen und zu einem gottgefälligen Leben zurückkehren«, werde ich ihn töten, denn was er sagt, ist böse. Und wenn einer sagt: »Wir wollen uns von unserem Elend abwenden und nach einem anderen Baum suchen«, werde ich ihn töten, denn was er sagt, ist böse. Und wenn ich mir zuletzt den ganzen Garten unterworfen habe, wenn es kein Geschöpf mehr gibt, das nicht meinem Wachstum dient, und wenn alles Feuer des Lebens auf der Erde in den Adern meiner Nachkommen fließt, dann muß ich immer noch weiterwachsen. Und den Menschen des einen Landes werde ich sagen: »Wachst, denn das ist gut«, und sie werden wachsen. Und den Menschen des anderen Landes werde ich auch sagen: »Wachst, denn das ist gut«, und sie werden wachsen. Und wenn sie nicht mehr wachsen können, werden die Menschen des einen Landes die

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