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Isolation

Isolation

Titel: Isolation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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empfinden.«
    »Dann ist unsere Existenz ein Verbrechen«, hatte Heron erwidert. »Mein Leben verstößt gegen das Gesetz.«
    »Manche Gesetze muss man eben brechen.«
    Daran dachte Heron, als sie Huan Do anstarrte. Ich darfnichts für mein Ziel empfinden, sagte sie sich. Lautlos wie ein Schatten trat sie vor und machte sich an die Arbeit.

Zuoquan, Provinz Shanxi, China
    9.   Juni 2060
    Fieberhaft durchdachte Heron die Möglichkeiten: Würde die NADI wirklich die eigenen Partials zerstören? Natürlich würde man es tun. Man betrachtete die Partials bestenfalls als Tiere, schlimmstenfalls als seelenlose Werkzeuge. Es war keine Kleinigkeit, zehntausend Soldaten zu verlieren, aber man konnte jederzeit neue herstellen. Dazu passte auch der Verlust der Fabrik, denn wenn man keine Armee mehr hatte, brauchte man auch keine Munition. Deshalb hat sich mein Vorgesetzter in Bezug auf meine Befehle so seltsam verhalten, dachte Heron. Es war ihm gleichgültig, ob ich die Generäle festsetze, weil es letztendlich gar keine Rolle spielt. Um jeden Preis die Luftabwehr zerstören, den Luftschlag ermöglichen, und danach geht alles in einem Feuerball unter. Bestätigung.
    Eine Nanosekunde verstrich, und dann dachte sie über ihre Möglichkeiten nach. Als Erstes überlegte sie sich, wie sie überleben sollte. Sie konnte einen Hubschrauber kapern und hinausfliegen. Es war 22.40 Uhr, also noch genügend Zeit zur Flucht, ehe der Luftschlag einsetzte. Sie konnte als Zeichen ihres guten Willens sogar mehr tun, als ihre Befehle verlangten, und die Satbox mitnehmen. Allerdings hatte sie keine große Lust, guten Willen zu zeigen, den man ihr auch nicht erwiesen hatte. Aber wohin sollte sie sich schon wenden? Sie konnte sich überall und besonders in China unter die Einwohner mischen, aber … wollte sie wirklich den Rest ihres Lebens als namenlose Bürgerin in einem besetzten Land zubringen? Sie war eine Partial, und für eine andere Aufgabe war sie nicht gebaut.
    War sie etwa andererseits nur gebaut worden, um zu sterben?
    Sie dachte über die anderen Partials nach. Jeder Teufel in der Armee, wie Wu sie genannt hatte, fast zehntausend Männer und Frauen, wäre in zwanzig Minuten tot. Heron wusste, dass ihr diese Tatsache zusetzen musste, und so war es auch – aber vor allem auf einer persönlichen Ebene. Man hatte sie betrogen und weggeworfen. Aber das war noch nicht alles. Während sie die Situation analysierte, erforschte sie sich selbst und stellte fest, dass sie … was genau verlor sie gerade? Nicht ihre Unschuld, denn sie war eine eigens zu diesem Zweck erschaffene Meuchelmörderin. Seit ihre Gene in einem Bruttank zusammengemischt worden waren, hatte sie noch nie so etwas wie Unschuld besessen. Aber nun verlor sie etwas anderes: die Illusionen über sich selbst und über die Art und Weise, wie ihr Verstand arbeitete. Zehntausend ihrer Brüder und Schwestern wurden blindlings in den Tod geschickt, und sie saß da und empfand nicht die geringste Trauer. Sie war dazu konstruiert, nichts zu empfinden, und dazu ausgebildet, noch weniger zu fühlen. Man hatte sie unvollständig gelassen, und ihre Reaktion auf diesen großen Verrat bewies, wie weit diese Unvollständigkeit reichte. Sie war eine zerbrochene Puppe, die an Fäden tanzte.
    Sie musste die Partials retten – nicht weil sie sie liebte, sondern weil sie deren Schöpfer hasste.
    Wieder verging eine Nanosekunde, und schon bildete sich ein Plan heraus. Wie konnte sie die anderen Partials retten? Wenn sie die Partialarmee warnte, verlor der Köder seine Wirkung, und der Luftschlag würde abgesagt. Die Situation blieb, wie sie war, nur dass man sie als Verräterin entlarven und beseitigen würde. Dann wäre sie nicht mehr fähig, ein ähnliches Opfer zu verhindern, falls sie so etwas in der Zukunft noch einmal versuchten. Wenn sie die chinesischen Streitkräfte zurückrief, wäre das Ergebnis ähnlich, aber hinzu käme die Gefahr, dass der Luftschlag tatsächlich noch durchgeführt wurde, weil er womöglich bereits ausgelöst war und nicht mehr rechtzeitig abgebrochen werden konnte. Die Partials würden dann für nichts und wieder nichts zerstört. Wenn sie den Angriffsplan verändern wollte, musste sie dafür sorgen, dass die NADI -Truppen anschließend immer noch im Vorteil waren. Sie musste den Angreifern einen Sieg schenken, aber nicht den Sieg, den sie anstrebten. Sie wollte es ihnen unter die Nase reiben. Viele Ressourcen standen ihr nicht zur Verfügung, sie besaß nicht

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