Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)
nicht, er schrieb das Wort nach Gehör; daher seine Aufforderung »lache nicht«.
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Vom Umgang mit den Originalen
Spätestens seit den achtziger Jahren genießen Originalmanuskripte und -briefe Kafkas den Status von Kultobjekten. Sie werden in Panzerschränken verwahrt, der Zugang ist strikt begrenzt, sie werden als Faksimiles reproduziert und ediert, und sofern sie noch im Autographenhandel angeboten werden – was immer seltener vorkommt –, dann zu Preisen, die selbst die Möglichkeiten staatlicher Institutionen überschreiten.
Das war keineswegs immer so, und der vielleicht eindrucksvollste Beleg dafür ist die Art und Weise, wie Kafkas Freund und Nachlassverwalter Max Brod mit den Originalen verfuhr. Brod setzte sich zwar erfolgreich dafür ein, dass Kafkas Werke nach dessen Tod möglichst bald und vollzählig veröffentlicht wurden; er hatte aber keinerlei Bedenken, auf den (teilweise von ihm selbst geretteten) Manuskripten eigene Eintragungen und Streichungen vorzunehmen, noch nicht entzifferte Originale per Post zu verschicken oder einzelne Blätter zu verschenken.
Die Abbildung zeigt ein instruktives Beispiel: die erste Seite des Kapitels ›Im leeren Sitzungssaal‹ aus dem Roman Der Process . Da hier Kafka etliche Wörter in stenographischen Kürzeln niedergeschrieben hat, fügt Brod den Hinweis für den Setzer hinzu, dass sich diese Passage in gewöhnlicher Schrift auf einer anderen Manuskriptseite befindet, von wo Kafka selbst sie abgeschrieben hat. Auch die Paginierung rechts oben stammt von Brod. Insgesamt finden sich allein auf dieser Seite – zusätzlich zu der von Kafka verwendeten schwarzen Tinte – die Spuren von drei verschiedenen Schreibmaterialien: Rotstift, Blaustift und violette Tinte.
Slapstick
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Josef K., der Amokläufer
Kafka war Beamter der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt in Prag. Seine Aufgabe bestand dort hauptsächlich darin, die Versicherungsbeiträge festzulegen, die von den einzelnen Unternehmen im Industriegebiet Nordböhmen zu zahlen waren: Je gefährlicher die Arbeit, desto höher der Beitrag.
Häufig hatte Kafka allerdings auch mit verstümmelten Opfern von Arbeitsunfällen zu tun, die vorsprachen, um eine Unfallrente zu beantragen. Max Brod berichtet, Kafka habe sich über diese Bittsteller mit Verwunderung geäußert: »Wie bescheiden diese Menschen sind. Sie kommen zu uns bitten. Statt die Anstalt zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, kommen sie bitten.«
Kafka wusste offenbar nicht, dass es zu derartigen Vorfällen tatsächlich schon gekommen war. So findet sich beispielsweise im Prager Tagblatt vom 31. Dezember 1899 – da ging Kafka noch aufs Gymnasium – die folgende Notiz:
Ob Franz und Joseph Kafka weitläufig miteinander verwandt waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Immerhin wurden beide nach dem regierenden Kaiser Österreich-Ungarns benannt, ebenso wie der Angeklagte Josef K. in Kafkas Process , dem Beleidigung, Sachbeschädigung und Nötigung freilich ganz fern lagen.
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Kafka lacht den Präsidenten aus
Ich kann auch lachen, Felice, zweifle nicht daran, ich bin sogar als grosser Lacher bekannt, doch war ich in dieser Hinsicht früher viel närrischer als jetzt. Es ist mir sogar passiert, dass ich in einer feierlichen Unterredung mit unserem Präsidenten – es ist schon zwei Jahre her wird aber in der Anstalt als Legende mich überleben – zu lachen angefangen habe; aber wie! Es wäre zu umständlich, Dir die Bedeutung dieses Mannes darzustellen, glaube mir also, dass sie sehr gross ist, und dass ein normaler Anstaltsbeamter sich diesen Mann nicht auf der Erde, sondern in den Wolken vorstellt. Und da wir im allgemeinen nicht viel Gelegenheit haben mit dem Kaiser zu reden, so ersetzt dieser Mann dem normalen Beamten – ähnlich ist es ja in allen grossen Betrieben – das Gefühl einer Zusammenkunft mit dem Kaiser. Natürlich haftet auch diesem Mann, wie jedem in ganz klare allgemeine Beobachtung gestellten Menschen, dessen Stellung nicht ganz dem eigenen Verdienste entspricht, genug Lächerlichkeit an, aber sich durch eine solche Selbstverständlichkeit, durch diese Art Naturerscheinung, gar in der Gegenwart des grossen Mannes zum Lachen verleiten lassen, dazu muss man schon gottverlassen sein. Wir – zwei Kollegen und ich – waren damals gerade zu einem höhern Rang erhoben worden und hatten uns in feierlichem schwarzen Anzug beim Präsidenten zu bedanken, wobei ich nicht zu sagen vergessen darf, dass
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