Ist es nicht schoen, gemein zu sein
einem Anfall nahe. Serena van der
Woodsen! Da saß sie im selben Raum, nur wenige Meter von ihr entfernt. Sie sah
so echt aus. Und so gereift.
Wie oft sie es wohl schon gemacht hat?, fragte sich
Jenny im Stillen.
Sie sah es vor sich: Serena schmiegt sich an den
breiten Stamm eines alten Baumes. Vor ihr steht ein blonder Jüngling aus der
Hanover Academy. Er hüllt Serena in seine Jacke, weil sie sich ohne Mantel aus
dem Schlaftrakt schleichen musste. Serena friert, und die harzige Rinde
verklebt ihr Haar, aber das nimmt sie gern in Kauf. Szenenwechsel. Serena mit
einem anderen Jungen im Sesselllift. Der Lift bleibt plötzlich stehen, und
Serena klettert dem Jungen auf den Schoß, damit sie sich gegenseitig wärmen
können. Sie beginnen rumzuknutschen und eines führt zum anderen. Als sie gerade
fertig sind, fährt der Lift wieder an, doch dann verheddern sich ihre Skier
irgendwie ineinander, sie bleiben sitzen und gondeln wieder talwärts. Und tun
es unterwegs gleich noch mal.
Wahnsinn, dachte Jenny. Serena van der Woodsen war
eindeutig das allercoolste Mädchen dieses Planeten. Definitiv cooler als alle
anderen aus der Zwölften. Also, wenn das nicht cool war, mitten im Schuljahr
plötzlich wiederzukommen - und auch noch zu spät - und so auszusehen.
Sie können noch so reich und gut aussehend sein,
irgendwie haben diese Internatsschüler doch immer ein bisschen was von
Obdachlosen. In Serenas Fall allerdings von sehr glamourösen Obdachlosen.
Sie war seit über einem Jahr nicht mehr beim Frisör
gewesen. Gestern hatte sie ihr Haar zum Zopf gebunden, aber heute trug sie es offen,
und es sah ziemlich verzottelt aus. Ihr weißes Herrenhemd war am Kragen und an
den Manschetten durchgescheuert und außerdem sali man ihren BH aus violetter
Spitze hindurchschimmern. Sie hatte ihre alten braunen Schnürstiefel an und in
einer Kniekehle ihrer schwarzen Strumpfhose klaffte ein riesiges Loch. Was aber
das Schlimmste war - sie hatte ihre alte Schuluniform in den Müllschlucker
geworfen, bevor sie ins Internat gegangen war, und sich deshalb alles neu
zulegen müssen. Die neue Uniform war das Auffälligste an ihr.
In diesem Jahr waren nämlich zum großen Leidwesen der
Sechstklässlerinnen neue Uniformen eingeführt worden (in der Sechsten dürfen
die Schülerinnen der Constance-Bil- lard-Schule traditionell die Kittelschürze
gegen den Faltenrock eintauschen). Die neuen Röcke waren nicht nur aus
Polyester, wodurch die Falten unnatürlich steif abstanden und der Stoff
widerlich billig glänzte, auch die Farbe hatte sich geändert: braun. Grausam.
Diese neue Uniform trug Serena an ihrem ersten Tag an der Constance-
Billard-Schule. Außerdem reichte ihr der Rock bis zu den Knien!
Alle anderen Zwölftklässlerinnen trugen weiterhin ihre
alten dunkelblauen Faltenröcke aus der Sechsten. Die Mädchen waren
mittlerweile gewachsen, wodurch die Röcke extrem kurz waren. Je kürzer der
Rock, desto cooler die Trägerin.
Blair war übrigens nicht sehr gewachsen, sie hatte
ihren Rock heimlich kürzen lassen.
»Was hat sie denn da an? Ich glaub, ich muss kotzen«,
zischelte Kati Farkas.
»Vielleicht denkt sie, das Braun sieht nach Prada
aus.« Laura kicherte.
»Ich glaub, die macht das voll mit Absicht«, flüsterte
Isabel. »So ä la >Schaut mich an. Ich bin Serena. Ich bin schön. Ich kann
anziehen, was ich wilk«
Kann sie auch, dachte Blair. Genau das hatte sie an Serena
früher schon zur Weißglut getrieben. Sie sah immer gut aus, egal was sie
anhatte.
Aber Serenas Aussehen war letztlich nebensächlich.
Jenny und alle anderen im Raum wollten vor allem eins wissen: Wieso ist sie
wieder da?
Alle reckten die Hälse, um besser zu sehen. Hatte ihr
jemand ein blaues Auge geschlagen? War sie schwanger? Be- kifft oder sonstwie
zugedröhnt? Hatte sie noch alle Zähne? Wirkte sie in irgendeiner Weise
verändert?
»Was ist das da an ihrer Backe? Eine Narbe?«, wisperte
Rain.
»Sie ist nachts mal beim Dealen in eine Messerstecherei
geraten«, flüsterte Kati ihr zu. »Deswegen war sie in den Sommerferien bei
einem europäischen Schönheitschirurgen. Aber die OP ist anscheinend
misslungen.«
Mrs McLean war mittlerweile dazu übergegangen, einen
besinnlichen Text vorzulesen. Serena lehnte sich zurück, schlug die Beine
übereinander, schloss die Augen und gab sich ganz dem heimeligen Gefühl hin, in
diesem Raum voller Mädchen zu sitzen und Mrs Ms Stimme zu lauschen. Weshalb
war sie heute Morgen vor der Schule eigentlich so nervös
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