Ist es nicht schoen, gemein zu sein
fest. Ihre Eltern schnorchelten im Meer rum, und
eigentlich hätten Serena und Erik zum Surfunterricht gemusst, aber dann war
Erik zum Strand geschwommen, hatte eine Vespa geklaut und ihr eine Packung
Maxi-Binden gekauft. Die Binden in einer Plastiktüte, die er sich um den Kopf
gewickelt hatte, war er zum Boot zurückgeschwommen - ihr Held.
Die voll geblutete Unterhose
hatte Serena über Bord geworfen. Wahrscheinlich lag sie immer noch irgendwo im
Mittelmeer rum. Klebte an einem Korallenriff.
Jetzt studierte Erik im ersten
Semester an der Brown University und Serena sah ihn seitdem so gut wie nie. Er
war zwar im Sommer mit in Frankreich gewesen, aber da waren sie zu sehr damit
beschäftigt gewesen, irgendwelche Typen oder Mädels aufzureißen oder
aufgerissen zu werden, sodass sie kaum Zeit gehabt hatten, sich in Ruhe zu
unterhalten.
Serena griff wieder zum
Telefon und drückte die Kurzwahltaste mit der Nummer ihres Bruders, der
natürlich zu cool war, um auf dem Campus zu wohnen. Es klingelte eine Ewigkeit.
Endlich meldete sich die Mailbox seiner WG.
»Wenn Sie eine Nachricht für
Dillon hinterlassen möchten, drücken Sie bitte die Eins. Wenn Sie eine
Nachricht für Tim hinterlassen möchten, drücken Sie bitte die Zwei. Wenn Sie
eine Nachricht für Drew hinterlassen möchten, drücken Sie bitte die Drei. Wenn
Sie eine Nachricht für Erik hinterlassen möchten, drücken Sie bitte die Vier.«
Serena drückte die Vier und
sagte nach kurzem Zögern: »Hey... ich bins, Serena. Sorry, dass ich mich erst
jetzt melde, aber du hättest ja auch mal anrufen können, du treuloser
Tomaterich. Ich war in Ridgefield, wo ich mich zu Tode gelangweilt hab, aber
seit letztem Wochenende bin ich wieder in der Stadt. Heute war ich zum ersten
Mal wieder in der Schule. War irgendwie komisch. Sogar ziemlich beschissen.
Alle sind so... alles ist... ich weiß auch nicht... komisch irgendwie. Ruf
mich bitte an. Ich sehne mich nach deinem haarigen Arsch. Sobald ich Zeit hab,
kriegst du ein Carepaket von mir. Bis dann, Bruderherz... Bye.«
das leben ist zerbrechlich und absurd
»Du bist echt so blöd, Dan«,
sagte Jenny Humphrey zu ihrem Bruder. Die beiden saßen am Küchentisch ihres
weitläufigen, heruntergewohnten Fünf-Zimmer-Apartments im neunten Stock eines
Hauses in der West End Avenue. Es war eine traumhafte alte Wohnung mit vier
Meter hohen Decken, vielen großen Fenstern, durch die Sonnenlicht
hereinflutete, riesigen begehbaren Kleiderschränken und tiefen, altmodischen
Badewannen mit Füßchen, die aber seit den Vierzigerjahren des letzten
Jahrhunderts nicht mehr renoviert worden war. Die Wände waren stockfleckig und
hatten Risse und der Parkettboden war stumpf und zerkratzt. Uralte, fette
Staubmäuse hockten in den Ecken und an den Fußleisten klebte der Staub wie eine
Moosschicht. Von Zeit zu Zeit ließ Rufus Humphrey, der Vater der beiden, von
einem Putzdienst gründlich durchwienern, und ihr Riesenkater Marx hielt die
Küchenschaben in Schach - trotzdem hatte ihr Zuhause meistens etwas von einer gemütlichen
Rumpelkammer. Man erwartete auf Schritt und Tritt, über längst vergessene
Schätze zu stolpern: alte sepiabraune Fotografien, noch ältere Schuhe oder
Knochen vom letzten Weihnachtsessen.
Jenny aß eine halbe Grapefruit
und trank eine Tasse Pfefferminztee. Seit sie im Frühjahr zum ersten Mal ihre
Tage bekommen hatte, aß sie immer weniger. Alles, was sie zu sich nahm, setzte
sich sowieso gleich als Brustgewebe ab. Dan fand ihre Essgewohnheiten Besorgnis
erregend, andererseits war Jenny genauso quirlig wie immer, und letzten Endes
hatte er von so was ja auch keine Ahnung. Genauso wenig wie davon, dass sich
Jenny fast jeden Morgen auf dem Schulweg in einem kleinen Feinkostgeschäft am
Broadway ein warmes, gebuttertes Schokobrötchen kaufte.
Keine besonders Erfolg
versprechende Strategie zur Brustverkleinerung.
Dan aß einen Schokoladendonut
von Entenmanns Bakery - seinen zweiten - und trank dazu Instantkaffee mit
Kaffeeweißer und vier Löffeln Zucker. Er mochte Zucker und Koffein,
wahrscheinlich auch einer der Gründe für seine zittrigen Hände. Dan hielt
nichts von gesunder Lebensführung. Er lebte gern grenzwertig.
Beim Frühstücken las er das
Drehbuch zu einem Kurzfilm, den Vanessa Abrains drehen wollte - mit ihm in der
Hauptrolle. Er las ein und denselben Satz immer wieder, noch mal und noch mal,
wie ein Mantra: Das Leben ist zerbrechlich und absurd.
»Dir ist es also egal, dass
Serena van der
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