Ist es nicht schoen, gemein zu sein
einmal zum Sport mussten. Serena
ging die breite Haupttreppe hinauf, um ihren Mantel aus ihrem Spind im dritten
Stock zu holen, vielleicht fand sich ja auch jemand, der mit ihr bis sechs Uhr
warten wollte. Rings um sie war alles in fieberhafter Bewegung, Mädchen
drängten aus den Klassenräumen, hasteten an Serena vorbei treppauf und
treppab, eilten dem nächsten AG-Treffen, der Probe, dem Training entgegen. Aus
alter Gewohnheit nahmen sich alle kurz Zeit, um Serena zu begrüßen, denn mit
Serena van der Woodsen gesehen zu werden, das bedeutete seit Schülergedenken, gesehen werden.
»Hey, Serena«, keuchte Laura
Salmon auf dem Weg zum Musiksaal im Untergeschoss, wo der Chor probte.
»Man sieht sich, Serena!«,
rief Rain Hoffstetter, die in kurzer Sporthose zum Fußballtraining hetzte.
Lily Reed murmelte: »Bis
morgen, Serena« und lief rot an, weil sie ihre Reithosen anhatte, in denen sie
sich immer etwas blöd vorkam.
»Bye, Serena!«, sagte Carmen
Fortier Kaugummi kauend. Sie war eine der wenigen Schülerinnen aus der Elften,
die ein Schulstipendium hatten, und trug Lederjacke und
Jeans, weil sie aus der Bronx
kam und behauptete, vermöbelt zu werden, wenn sie sich dort in Schuluniform
blicken ließe. Carmen ging übrigens in den Kurs »Die Kunst der Floristik« und
nicht in Karate, wie sie ihren Freunden aus der Bronx weismachte.
So schnell sich die Gänge
gefüllt hatten, so schlagartig waren sie auch wieder leer. Serena öffnete den
Spind, nahm ihren Burberrymantel vom Bügel und zog ihn an. Dann warf sie die
Spindtür zu, lief die Treppe hinunter, ging zum Ausgang hinaus und bog in die
93. Straße Richtung Central Park ein.
In ihrer Manteltasche
klapperte ein letztes einsames Tic- Tac Orange in seinem Döschen. Serena
schüttelte es heraus und legte es sich auf die Zunge, aber vor lauter Sorgen um
ihre Zukunft schmeckte sie kaum etwas.
Sie überquerte die Fifth
Avenue und schlenderte am Central Park entlang. Laub bedeckte den Asphalt. Am
Ende des Blocks führten zwei kleine Mädchen in den niedlichen
rot-weiß-karierten Trägerkleidchen der Sacred-Heart- Schule einen riesigen
Rottweiler Gassi. Serena spielte mit dem Gedanken, von der 98. Straße aus in
den Park zu gehen und sich dort hinzusetzen, um die Zeit bis zur Probe totzuschlagen.
Aber allein? Was sollte sie dort machen? Leute gucken? Sie war doch immer die
gewesen, die von anderen Leuten angeguckt wurde.
Also ging sie nach Hause.
Serena wohnte in der Fifth
Avenue, Hausnummer 994, einem eleganten weißen Gebäude neben dem Stanhope Hotel
und direkt gegenüber dem Metropolitan Museum of Art. Die van der Woodsens
besaßen eine Hälfte des Dachgeschosses. Das Penthouse bestand aus insgesamt
vierzehn Zimmern, fünf davon Schlafzimmer mit angeschlossenen
Bädern. Außerdem gab es eine
kleine Einliegerwohnung für die Haushälterin, einen Salon mit den Ausmaßen
eines Ballsaals und zwei extrem cool gestylte Wohnzimmer mit Bar, Fernseher,
Anlage und allem, was die Unterhaltungselektronik sonst noch so bietet.
Als Serena oben aus dem Lift
trat, stellte sie fest, dass das riesige Apartment leer war. Ihre Eltern waren
ohnehin selten zu Hause. Mr van der Woodsen leitete eine Reederei, die sein
aus den Niederlanden stammender Ur-Ur-Urgroß- vater bereits im 18. Jahrhundert
gegründet hatte, und da er und seine Frau im Vorstand aller wichtigen
Wohltätigkeitsund Kunststiftungen der Stadt saßen, mussten sie ständig zu
irgendwelchen Versammlungen, Geschäftsessen oder Be- nefizgalas. Deidre, die
Haushälterin, war offenbar einkaufen gegangen, aber das Apartment war makellos
aufgeräumt, und in jedem Zimmer standen Vasen mit frischen Blumen - auch in
den Bädem.
Serena schob die Tür zum
kleineren der beiden Wohnzimmer auf und warf sich in ihren Lieblingssessel aus
blauem Samt. Sie griff nach der Fernbedienung, mit der sich die Fernsehvitrine
elektronisch öffnen ließ, und schaltete den Flachbildfernseher ein. Ungeduldig
und ohne sich auf etwas konzentrieren zu können, zappte sie sich durch die
Kanäle, bis sie schließlich bei »Total Request Life« auf MTV hängen blieb,
obwohl sie Carson Daly eigentlich ultrawiderlich fand. Sie hatte schon lange
nicht mehr ferngesehen. Die anderen Mädchen im Internat hatten abends bei
Popcorn und heißem Kakao im Schlafanzug immer »Satur- day Night Live« oder
»Jackass« geschaut, aber Serena traf sich lieber heimlich mit den Jungs in der
Krypta unter der Schulkapelle, um Pfirsichschnaps zu trinken und Zigarren
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