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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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zur Helix. Weder die Replikation noch die Transkription ist jedoch ein Kinderspiel, weil die DNA so fest verknotet und verknäuelt ist (um die Information möglichstkompakt zu speichern), dass ohne trickreiche Entknäuelungsprozesse keiner dieser lebenswichtigen Schritte reibungslos stattfinden könnte. Bei der Replikation muss nicht nur die gesamte Eltern-DNA ent-, sondern danach auch, genau wie die Nachkommen-DNA, wieder zur vorgesehenen Konfiguration verknäuelt werden.

    Abbildung 57

    Abbildung 58
    Die Akteure, die das Entknoten und Entwirren leisten, sind Enzyme. Enzyme können einen DNA-Strang durch einen anderen hindurchfädeln, indem sie hier und da Schnitte setzen und Enden neu zusammenfügen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Genau das waren die «chirurgischen Eingriffe», die Conway für das Entwirren mathematischer Knoten (vergleiche Abbildung 57) ersonnen hatte. Mit anderen Worten: Vom topologischen Standpunkt aus betrachtet, handelt es sich bei der DNA um einen komplexen Knoten, der von Enzymen entwirrt werden muss, damit es zu Replikation oder Transkription kommen kann. Indem sie mittels der Knotentheorie berechnen, wie schwierig es ist, die DNA an dieser oder jener Stelle zuentknoten, vermögen Wissenschaftler die Eigenschaften von Enzymen vorauszusagen, die das Entwirren leisten. Besser noch, mithilfe gewisser experimenteller Techniken zur Sichtbarmachung von biologischen Prozessen – wie der Elektronenmikroskopie oder der Gelelektrophorese – können die Wissenschaftler die durch die Enzyme bewirkten Veränderungen des Verknotungs- und Wiederverknüpfungs-(Linkage-)Zustands der DNA verfolgen (Abbildung 58 zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme von verknäulter DNA). Die Herausforderung für die Mathematiker besteht dann darin, aus den beobachteten Veränderungen der DNA-Topologie Mechanismen herzuleiten, mittels derer Enzyme solche bewirken können. Als Nebenprodukt liefert die Veränderung der Anzahl an Kreuzungen innerhalb des DNA-Knotens den Biologen ein Maß für die
Reaktionsgeschwindigkeit
der Enzyme – sprich, wie viele Kreuzungen pro Minute ein Enzym in bestimmter Konzentration abarbeiten kann.
    Doch die Molekularbiologie ist nicht das einzige Gebiet, auf dem die Knotentheorie unvorhergesehene Anwendung gefunden hat. Auch bei der Stringtheorie – dem jüngsten Versuch, eine einheitliche Theorie zu formulieren, die alle Naturkräfte erklärt – spielen Knoten eine zentrale Rolle.
Tanzt das Universum an Fäden?
    Die Gravitation ist eine Kraft, die in ungeheuren Dimensionen wirkt. Sie hält die Sterne einer Galaxie zusammen und beeinflusst die Expansion des Universums. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie liefert ein höchst bemerkenswertes Lehrgebäude zum Thema Gravitation oder Schwerkraft. Im tiefsten Innern des Atomkerns aber haben andere Kräfte und eine andere Theorie das Sagen. Starke Kernkräfte halten Partikel namens
Quarks
zu den wohlvertrauten Protonen und Neutronen, den Grundbausteinen von Materie, zusammen. Das Verhalten der Partikel und Kräfte in der subatomaren Welt wird von den Gesetzen der Quantenmechanik gelenkt. Spielen Quarks und Galaxien wirklich nach denselben Regeln? Physiker glauben, dem sollte sosein, auch wenn sie nicht so genau wissen, warum. Jahrzehnte hindurch haben sie nach einer «Theory of Everything» gesucht – einer umfassenden Beschreibung der Naturgesetze. Insbesondere ist ihnen daran gelegen, die Lücke zwischen dem Großen und dem Kleinen mit einer Quantentheorie der Schwerkraft zu überbrücken – sprich: einer Versöhnung von allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Die Stringtheorie scheint gegenwärtig der aussichtsreichste Kandidat für eine solche Theory of Everything zu sein. Ursprünglich als eine Theorie zu den Kräften im Atominneren entwickelt und wieder verworfen, wurde die Stringtheorie 1974 von den Physikern John Schwarz und Joel Scherk der Vergessenheit entrissen und wieder ans Licht geholt.

    Abbildung 59
    Die Grundidee der Stringtheorie ist recht einfach. Die Theorie fordert, dass subatomare Elementarteilchen wie Quarks und Elektronen keine punktähnlichen Existenzen ohne Struktur und Dimension, sondern vielmehr unterschiedliche Schwingungszustände derselben «Strings» sind. Der Kosmos ist dieser Vorstellung zufolge voller winziger flexibler gummiringartiger Objekte oder Strings. So wie eine Geigensaite beim Zupfen unterschiedliche Harmonien hervorbringt, sollen unterschiedliche Schwingungen dieser Strings

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