Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
Vom Netzwerk:
im Gefüge von Raum und Zeit. Laut Einstein folgen Planeten in dem durch die Schwerkraft der Sonne gekrümmten Raum gewissen gekrümmten Bahnen – ähnlich wie Golfbälle, die durch Senken undVerwerfungen des Rasens in ihrer Bahn gelenkt werden. Mit anderen Worten: Ohne Materie oder andere Formen von Energie wäre die
Raumzeit
(das Raum-Zeit-Kontinuum als vierdimensionale Verbindung von Raum und Zeit) flach. Materie und Energie verwerfen das Raum-Zeit-Kontinuum so, wie eine Bowlingkugel ein Trampolin eindellt.
    In dieser durch die Manifestation der Schwerkraft gekrümmten Geometrie nehmen Planeten den kürzesten Weg. Indem er das «Wie» der Wirkung von Gravitation erklärte, lieferte Einstein auch den Rahmen für die Antwort auf die Frage, wie rasch diese sich ausbreitet. Letzteres lief darauf hinaus zu klären, wie rasch Verwerfungen der Raumzeit sich fortpflanzen, was ein bisschen so ist, als wollten Sie die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen auf einer Wasseroberfläche berechnen. Einstein war in der Lage zu zeigen, dass die Gravitation sich nach der allgemeinen Relativitätstheorie exakt mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitete, womit die Diskrepanz zwischen der Newton’schen Theorie und der speziellen Relativitätstheorie aus der Welt war. Würde die Sonne verschwinden, änderte sich die Erdbahn genau acht Minuten später, und das stimmt mit dem überein, was wir beobachten würden.
    Dass Einstein den gekrümmten vierdimensionalen Raum zum Eckpfeiler seiner neuen Theorie des Universums gemacht hatte, brachte es mit sich, dass er dringend eine mathematische Theorie für diese geometrischen Gegebenheiten benötigte. In seiner Verzweiflung wandte er sich an seinen alten Studienkollegen Marcel Grossmann (1878–1936): Grossmann erklärte Einstein, dass Riemanns nichteuklidische Geometrie (siehe Kapitel 6) genau das Instrument war, das er benötigte – eine Geometrie gekrümmter Räume in einer beliebigen Anzahl von Dimensionen, eine geradezu unglaubliche Demonstration dessen, was ich als «passive» Effektivität der Mathematik bezeichnet habe. Einstein erkannte dies prompt an und quittierte es mit dem Zugeständnis: «Aber das eine ist sicher, dass ich mich im Leben noch nicht so geplagt habe, und dass ich grosse Hochachtung für die Mathematik eingeflösst bekommen habe, die ich bis jetzt in ihren subtileren Teilen als Luxus ansah!» Und weiter: Man könne die Geometrie wohl als ältesten Zweig der Physik betrachten, und ohne sie wäre er nicht imstande gewesen, die Relativitätstheorie zu formulieren.
    Die allgemeine Relativitätstheorie konnte obendrein mit beeindruckender Genauigkeit überprüft werden, was keine Kleinigkeit war, da sich die durch einen Himmelskörper wie die Sonne bewirkte Krümmung des Raum-Zeit-Kontinuums nur in «Teilen von einer Million» (abgekürzt
ppm
nach dem Englischen
parts per million)
bemisst. Während die ursprünglichen Tests sämtlich Beobachtungen am Sonnensystem zum Inhalt hatten (zum Beispiel winzige Veränderungen der Merkurbahn im Vergleich zu den Vorhersagen der Newton’schen Gravitationstheorie), sind in jüngster Zeit ausgefallenere Überprüfungen möglich geworden. Eine der besten Verifizierungen macht sich ein astronomisches Phänomen zunutze, das man als
Doppelpulsar
bezeichnet.
    Ein Pulsar ist ein außerordentlich dichter, Radiowellen emittierender Stern mit einer Masse, die etwas größer ist als die der Sonne, aber einem Radius von unter zehn Kilometern. Die Dichte eines solchen Sterns (eines sogenannten
Neutronensterns)
ist so immens, dass ein Kubikzentimeter seiner Materie eine Masse im Bereich von Milliarden Tonnen hat. Viele dieser Neutronensterne rotieren sehr schnell um ihre eigene Achse und senden dabei von ihren magnetischen Polen Radiowellen aus. Ist die Magnetachse gegenüber der Rotationsachse geneigt (siehe Abbildung 60), schneidet der Radiowellenstrahl von einem der beiden Pole genau wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms unsere Blickachse nur einmal pro Umdrehung. In diesem Falle scheint die Radiostrahlung zu pulsieren, daher der Name «Pulsar». Es gibt ein System, bei dem zwei Pulsare auf einer sehr engen Bahn um ihr gemeinsames Gravitationszentrum rotieren und somit einen Doppelpulsar bilden.
    Zwei Eigenschaften machen einen solchen Doppelpulsar zu einem exzellenten Labor für das Testen der allgemeinen Relativitätstheorie: (1) Radiopulsare sind Uhren von überragender Qualität – ihre Rotationsbewegung ist derart stabil, dass sie sogar

Weitere Kostenlose Bücher