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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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inversquadratische Proportionalität des Gesetzes bis zu einer Entfernung von einem sechsundfünfzigtausendstel Millimeter gilt! Ein mathematisches Gesetz,das vor über dreihundert Jahren auf der Grundlage höchst magerer Beobachtungen formuliert worden ist, hat sich nicht nur als phänomenal genau erwiesen, sondern zeigt sich sogar noch in Größenordnungen als zuverlässig, die man bis vor kurzem noch nicht einmal erfassen konnte.
    Eine große Frage hatte Newton komplett unbeantwortet gelassen: Wie funktioniert die Schwerkraft eigentlich? Wie beeinflusst die Erde aus einer Entfernung von etwa 400.000 Kilometern die Bewegung des Mondes? Newton war sich dieses Defizits seiner Theorie durchaus bewusst und gestand in seinen
Principia
freimütig:
    Ich habe bisher die Erscheinungen der Himmelskörper und die Bewegungen des Meeres durch die Kraft der Schwere erklärt, aber ich habe nirgends die Ursache der letzteren angegeben. Diese Kraft rührt von irgend einer Ursache her, welche bis zum Mittelpunkte der Sonne und der Planeten dringt, ohne irgend etwas von ihrer Wirksamkeit zu verlieren. Sie wirkt nicht nach Verhältniss der
Oberfläche
derjenigen Theilchen, worauf sie einwirkt (wie die mechanischen Ursachen), sondern nach Verhältniss der Menge fester Materie, und ihre Wirkung erstreckt sich nach allen Seiten hin, bis in ungeheure Entfernungen, indem sie stets im doppelten Verhältniss der letzteren abnimmt. Die Schwere gegen die Sonne ist aus der Schwere gegen jedes ihrer Theilchen zusammengesetzt, und sie nimmt mit der Entfernung von der Sonne genau im doppelten Verhältniss der Abstände ab, und dies geschieht bis zur Bahn des Saturns, wie die Ruhe der Aphelien der Planeten beweist; sie erstreckt sich ferner bis zu den äusseren Aphelien der Kometen, wenn diese Aphelien in Ruhe sind. Ich habe noch nicht dahin gelangen können, aus den Erscheinungen den Grund dieser Eigenschaften der Schwere abzuleiten, und Hypothesen erdenke ich nicht.
    Derjenige, der beschloss, die durch Newtons Verzicht gestellte Herausforderung anzunehmen, war niemand anderer als Albert Einstein (1879–1955). Gerade im Jahr 1907 hatte Einstein allen Grund sich für die Gravitation zu interessieren – schien doch seine spezielle Gravitationstheorie mit dem Newton’schen Bewegungsgesetz direkt zu kollidieren.
    Newton hatte die Wirkung der Gravitation für verzögerungslosgehalten, will sagen, er nahm an, dass keine Zeit verging, bis Planeten die Gravitation der Sonne erreichte oder bis ein Apfel die Anziehungskraft der Erde zu spüren bekam. Zentraler Stützpfeiler von Einsteins
spezieller Relativitätstheorie
hingegen war die Aussage, dass kein Gegenstand, keine Energie und keine Information schneller als mit Lichtgeschwindigkeit reisen können. Wie also sollte die Gravitation ohne Verzögerung wirken können? Wie das folgende Beispiel zeigen wird, hätte dies katastrophale Folgen für so grundlegende Dinge wie unsere Wahrnehmung von Ursache und Wirkung.
    Stellen Sie sich vor, die Sonne würde plötzlich verschwinden. Der Kraft beraubt, die sie auf ihrer Umlaufbahn hält, würde die Erde (so Newton) sofort beginnen, sich (von winzigen Abweichungen, die der Anziehung durch die anderen Planeten geschuldet sind, abgesehen) entlang einer geraden Linie zu bewegen. Den Blicken der Erdbewohner entzöge sich die Sonne allerdings erst etwa acht Minuten später, denn dies ist die Zeit, die ihr Licht braucht, um die Entfernung zwischen Sonne und Erde zu überbrücken. Mit anderen Worten: Die Veränderung der Erdbewegung würde dem Verschwinden der Sonne zuvorkommen.
    Um diesen Konflikt aus der Welt zu schaffen und gleichzeitig Newtons unbeantwortete Frage anzugehen, stürzte sich Einstein in eine fast schon besessene Suche nach einer neuen Gravitationstheorie. Das war eine ungeheure Aufgabe. Jede neue Entdeckung hatte nicht nur sämtliche absolut bemerkenswerten Fortschritte der Newton’schen Theorie zu bewahren, sondern darüber hinaus zu erklären, wie die Gravitation funktioniert, und dies in einer Weise, die mit der speziellen Relativitätstheorie vereinbar war. Nach einer Reihe von Fehlstarts und ausgedehnten Ausflügen in verschiedene Sackgassen war Einstein 1915 endlich am Ziel. Seine
allgemeine Relativitätstheorie
wird noch heute von vielen Leuten als eine der elegantesten Theorien gefeiert, die je formuliert worden sind.
    Kern der bahnbrechenden Einsichten Einsteins war die Überlegung, dass Gravitation nichts anderes bewirkt als Verwerfungen

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