Ist Gott ein Mathematiker
Forscherleben nach Syrakus zurückkehrte.
Archimedes war wahrhaft ein Mathematiker aller Mathematiker. Plutarch zufolge erachtete er «jegliche Wissenschaft, die es mit der praktischen Anwendung zu tun hatte, für niedrig und gemein … und setzte seinen Ehrgeiz einzig an das, dem das Schöne und Hohe, unvermischt mit allem Zwange Unterworfene, eigen ist …». Archimedes unablässige Beschäftigung mit «der reinen Mathematik» und das Ausmaß, in dem er davon absorbiert war, ging offenbar sehr viel weiter als die Leidenschaft anderer, die sich in dieser Disziplin übten. Dazu noch einmal Plutarch:
Daher darf man auch wohl dem Glauben schenken, was über ihn erzählt wird, daß er im Banne einer ihm wesenseigenen, stets in ihm wirksamen Verzauberung sogar das Essen vergaß, jede Körperpflege unterließ, und wenn er mit Gewalt dazu gebracht wurde, sich zu salben und zu baden, geometrische Figuren auf die Kohlebecken malte, und wenn sein Körper gesalbt war, mit dem Finger Linien darauf zog, ganz erfüllt von dem reinen Entzücken und wahrhaft von seiner Muse besessen.
Trotz seiner Verachtung für die angewandte Mathematik und der geringen Bedeutung, die Archimedes selbst seinen mechanischen Überlegungen beimaß, war er für seine einfallsreichen Erfindungen sogar noch berühmter als für sein mathematisches Genie.
Die wohl bekannteste Anekdote um Archimedes bedient das Klischee des geistesabwesenden Mathematikers. Diese amüsante Geschichte wurde erstmals von dem römischen Architekten Vitruvius im 1. Jahrhundert v. Chr. berichtet und soll sich folgendermaßen zugetragen haben: König Hieron wollte den unsterblichen Göttern eine goldene Krone opfern. Als diese dem König gebracht wurde, entsprach zwar ihr Gewicht dem des Goldes, das zu ihrer Herstellung verbrauchtworden war, doch der König hegte trotzdem den Verdacht, dass ein Teil des Goldes gegen Silber ausgetauscht worden sein könnte. Da er seinen Argwohn weder ablegen noch erhärten konnte, wandte er sich an den Meister unter den Mathematikern – an Archimedes. Eines Tages, so die Legende, stieg Archimedes ins Bad, immer noch mit dem Problem beschäftigt, wie er einen möglichen Betrug dieser Art wohl würde nachweisen können. Als er sich jedoch ins Wasser legte, wurde ihm schlagartig klar, dass sein Körper eine gewisse Menge an Wasser verdrängte, das über den Wannenrand trat. Daraus formte sich in seinem Kopf auf der Stelle eine Lösung. Von Freude überwältigt, sprang Archimedes aus der Wanne und rannte pudelnackt durch die Stadt, wobei er laut
«Heureka!»
(«Ich hab’s!») gerufen haben soll.
Einen weiteren berühmten Ausspruch des Archimedes etwa der Form «Gib mir einen festen Punkt zum Stehen, und ich werde die Welt aus den Angeln heben» findet man bei einer raschen Google-Suche (in der einen oder anderen Version) auf über 200.000 Internetseiten. Dieses kühne Wort, das fast nach dem Leitbild irgendeines Großunternehmens klingt, wurde von Thomas Jefferson ebenso zitiert wie von Mark Twain und John F. Kennedy, ja er kommt sogar in einem Gedicht von Lord Byron vor. Der berühmte Satz bildete allem Anschein nach den Höhepunkt von Archimedes’ Forschungen zum Problem der Bewegung eines gegebenen Körpers mittels einer gegebenen Kraft. Plutarch berichtet uns, dass Archimedes, als König Hieron von ihm eine praktische Demonstration seiner Fähigkeit zum Versetzen eines schweren Gewichts mittels einer kleinen Kraft verlangt hatte, mit Hilfe einer Seilwinde ein voll bemanntes und beladenes Schiff – «einen königlichen Dreimaster» – an Land bewegt habe. Wie Plutarch voller Bewunderung schreibt, «zog [er] ihn dann selbst, weitab sitzend, an sich heran, indem er ohne Hast, nur sacht mit der Hand am Ende eines Flaschenzuges zog, so daß das Schiff ruhig und ohne Schwanken auf ihn zukam, als führe es durch die See». Andere Quellen berichten leicht modifizierte Versionen derselben Legende. Nun mag es zwar schwer zu glauben sein, dass Archimedes mit den zu seiner Zeit verfügbaren mechanischen Gerätschaften wirklich ein ganzes Schiff hat bewegen können, aber die Berichte lassen wenig Raum für Zweifel daran, dass es irgendeineziemlich eindrucksvolle Demonstration seiner Erfindung zum Manövrieren schwerer Gewichte gegeben haben muss.
Archimedes sind viele andere friedliche Erfindungen zu verdanken, unter anderem eine hydraulische Schraube zur Wasserförderung und ein Planetarium, dass die Bewegung der Himmelskörper zeigte; am meisten
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