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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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davongetragen, und wir alle wären mit Leib und Seele Platoniker. Erklärt der Platonismus tatsächlich die «unbegreifliche Erklärungsmacht» der Mathematik bei der Beschreibung unserer Welt? Eigentlich nicht. Denn warum sollte sich die physikalische Realität nach Gesetzen verhalten, die in einer abstrakten platonischen Welt gelten? Das war schließlich eines der von Penrose benannten Mysterien, und Penrose selbst ist mit Haut und Haaren Platoniker. Für den Augenblick werden wir demnach die Tatsache akzeptieren müssen, dass, selbst wenn wir dem Platonismus anhingen, das Rätsel um die Macht der Mathematik dadurch nicht gelöst würde. Um es mit Wigner zu sagen: «Es fällt schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, dass wir es hier mit einem Wunder zu tun haben, das in seinem außergewöhnlichen Wesen vergleichbar dem Wunder ist, das den menschlichen Geist befähigt, tausend Argumente aneinanderzureihen, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln.»
    Um die Größenordnung dieses Wunders voll und ganz zu würdigen, müssen wir uns in Leben und Vermächtnis einiger der Wunderwirker selbst vertiefen – die Köpfe hinter der Entdeckung einiger jener mathematisch so unfassbar präzisen Naturgesetze.

Kapitel 3
MAGIER: DER MEISTER UND DER KETZER
    Im Unterschied zu den Zehn Geboten wurden die Naturgesetze der Menschheit nicht in Steintafeln gehauen übergeben. Die Geschichte der Naturwissenschaft ist die Geschichte vom Aufstieg und Fall zahlloser Vermutungen, Hypothesen und Modelle. Viele scheinbar kluge Überlegungen und Ideen haben sich als Fehlstarts erwiesen oder in Sackgassen geführt. Manche Theorien, die man zu ihrer Zeit für absolut unangreifbar gehalten hat, haben rasch zu bröckeln begonnen, als man sie der Feuerprobe durch Experimente und Beobachtungen unterzog, und galten am Ende schließlich als komplett überholt. Selbst die außerordentlichen geistigen Fähigkeiten der Urheber mancher dieser Ideen machten Letztere nicht immun dagegen, irgendwann über den Haufen geworfen zu werden. Der große Aristoteles zum Beispiel glaubte, dass Steine, Äpfel und andere Dinge von Gewicht herunterfielen, weil sie ihrem natürlichen Daseinsort zustrebten, und dieser sei der Mittelpunkt der Erde. Wenn sie sich dem Erdboden näherten, so Aristoteles, nimmt ihre Geschwindigkeit zu, weil sie glücklich seien, heimkehren zu können. Luft (und Feuer) hingegen strebten aufwärts, weil der natürliche Platz der Luft in den himmlischen Sphären sei. Allen Gegenständen ließ sich somit je nach ihrer Zuordnung zu einem der vier Grundelemente des Seins – Erde, Feuer, Luft und Wasser – ein bestimmtes Wesen zuordnen.
    Unter den vorhandenen (Dingen) sind die einen von Natur aus, die anderen sind auf Grund anderer Ursachen da. Von Natur aus: Die Tiere und deren Teile … und die einfachen unter den Körpern, wie Erde, Feuer, Luft und Wasser … All diese erscheinen als unterschiedengegenüber dem, was nicht von Natur besteht. Von diesen hat nämlich ein jedes in sich selbst einen Anfang von Veränderung und Bestand, teils bezogen auf den Raum, teils auf Wachstum und Schwinden, teils auf Eigenschaftsveränderung … denn Naturbeschaffenheit ist doch eine Art Anfang und Ursache von Bewegung und Ruhe an dem Ding, dem sie im eigentlichen Sinne, an und für sich … zukommt … Naturbeschaffenheit hat alles, was einen Anfang hat. Und alles dieses sind Wesen; denn Naturbeschaffenheit ist etwas Zugrundeliegendes, und Naturbeschaffenheit kommt immer an Zugrundeliegendem vor. Naturgemäß ist dieses und alles, was diesem, insofern es dies ist, zukommt, z.B. dem Feuer der Auftrieb nach oben.
    Aristoteles hatte sogar den Versuch unternommen, ein quantitatives Bewegungsgesetz zu formulieren. Er stellte fest, dass schwerere Gegenstände schneller fallen, wobei die Geschwindigkeit dem Gewicht direkt proportional sei (das heißt, ein Gegenstand, der doppelt so schwer ist als ein anderer, sollte mit doppelter Geschwindigkeit fallen). Nun mag zwar die Alltagserfahrung dieses Gesetz durch und durch vernünftig erscheinen lassen – ein Ziegelstein fällt tatsächlich schneller zu Boden als eine Feder, die man aus derselben Höhe fallen lässt –, doch hat Aristoteles seine quantitative Aussage nie genauer untersucht. Irgendwie ist es ihm nie in den Sinn gekommen – oder er hat es nie für nötig gehalten – zu überprüfen, ob zwei zusammengebundene Ziegelsteine tatsächlich doppelt so schnell fallen wie ein einzelner. Galileo Galilei

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