Ist Gott ein Mathematiker
aussenden. Zunächst unternahm er Beobachtungen an der Sonne selbst. Der aristotelischen Weltsicht zufolge sollte die Sonne überirdische Vollkommenheit und Unveränderlichkeit symbolisieren. Stellen Sie sich vor, was für einen Schock es bedeutet haben muss, als klar wurde, dass die Sonnenoberfläche alles andere als vollkommen ist. Sie enthält Unebenheiten und dunkle Flecken, die kommen und gehen, während sich die Sonne um ihre eigene Achse dreht. Abbildung 18 zeigt Zeichnungen der Sonnenflecken von Galileis Hand. Galileis Zeitgenosse Federico Cesi (1585–1630) schrieb dazu, sie «erfreuten zwiefach: durch das Wunder des Spektakulums selbst und durch die Akkuratesse der Wiedergabe». Genau genommen war Galilei nicht der Erste, der Sonnenflecken beobachtet, ja nicht einmal der Erste, der darüber geschrieben hat. Vor allem eine Schrift –
Tres epistolae de maculis solaribus
(«Drei Briefe über Sonnenflecken») des Jesuitenpaters und Forschers Christoph Scheiner (1573–1650) – verärgerten Galilei dermaßen, dass er sich gedrängt fühlte, eine wortgewaltige Antwort zu verfassen. Scheiner vertrat die Ansicht, es sei unmöglich, dass die Flecken unmittelbar auf der Sonnenoberfläche lokalisiert seien. Seine Vermutung gründete sich hauptsächlich darauf, dass die Flecken seiner Ansicht nach zu dunkel seien (er glaubte, sie seien dunkler als die dunklen Bereiche des Mondes), und auch auf der Tatsache, dass sie nicht immer an dieselbe Position zurückkehrten. Scheiner glaubte infolgedessen, man habe es mit kleinen Planeten zu tun, die die Sonne umkreisten. In seinen
Lettere solari
nimmt Galilei Scheiners Argumente eines nach dem anderen auseinander. Mit ungeheurer Akribie, mit einem Witz und Sarkasmus, die einen Oscar Wilde zu lautem Beifall genötigt hätten, zeigt Galilei, dass die Flecken in Wirklichkeit überhaupt nicht dunkel seien, sondern nur in Relation zur hellen Sonnenoberfläche so wirkten. Darüber hinaus ließen Galileis Arbeiten keinen Zweifel daran, dass sich die Flecken unmittelbar auf der Sonnenoberfläche befanden (ich werde später in diesem Kapitel darauf zurückkommen, wie er diese Tatsache belegt hat).
Abbildung 18
Galileis Beobachtungen an anderen Sternen waren wirklich und wahrhaftig die ersten menschlichen Vorstöße in den Teil des Kosmos, der sich jenseits unseres Sonnensystems befindet. Galilei entdeckte, dass sein Fernrohr die Bilder anderer Sterne – anders als die vom Mond und von den Planeten – kein bisschen vergrößerte. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand – die Sterne mussten sehr viel weiter entfernt sein als die Planeten. Das allein stellt bereits eine beträchtliche Überraschung dar, wirklich aufschlussreich aber war die Unzahl an neuen, schwach leuchtenden Sternen, die das Fernrohr enthüllte. In einem kleinen Gebiet um das Sternbild des Orion herum entdeckte Galilei nicht weniger als fünfhundert neue Sterne. Als Galilei sein Fernrohr jedoch ausrichtete, um jenseits der Milchstraße – jenes schwachen Lichtstreifens, der den Nachthimmel durchzieht – nach Neuem zu suchen, wartete auf ihn die größte Überraschung von allen. Selbst dieser glatt aussehende Lichtstreifen zerfiel in eine unfassbare Zahl von Sternen, die kein Mensch vor ihm je gesehen hatte. Mit einem Schlag wurde das Universum sehr, sehrviel komplexer. In der einigermaßen leidenschaftslosen Sprache des Wissenschaftlers berichtete Galilei:
Als drittes beobachteten wir das Wesen der Milchstraße, ihre Materie, die man mit Hilfe des Fernrohrs mit den Sinnen so klar wahrnehmen kann, daß aller Streit, der die Philosophen seit so vielen Jahrhunderten gequält hat, von der mit dem Auge gewonnenen Gewißheit abgelöst wird und uns wortreiche Erörterungen erspart bleiben. Die
Galaxis
ist nämlich nichts anderes als eine Ansammlung zahlloser, haufenförmig angeordneter Sterne, denn auf welches ihrer Gebiete sich das Fernrohr auch richtet, bietet sich dem Auge unverzüglich eine gewaltige Menge von Sternen dar, von denen einige ziemlich groß und sehr auffallend scheinen, während die Vielzahl der kleinen ganz und gar unerforschlich ist.
Einige der Zeitgenossen Galileis reagierten begeistert. Seine Entdeckungen entzündeten in ganz Europa die Fantasie von Wissenschaftlern und Nichtwissenschaftlern gleichermaßen. Der schottische Dichter Thomas Seggett schwärmte:
Columbus schenkte dem Menschen Land, mit Blut zu erobern
Galilei neue Welten zu niemandes Harm
Was ist besser?
Sir Henry Wotton, einem
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