Ist Gott ein Mathematiker
Naturkundemuseum) angeschlossen ist. Man findet ihn sehr häufig gegenüber dem Schädel eines Neandertalers ausgestellt.
Ein Mann der Moderne
Das Etikett «modern» bezeichnet, auf Menschen angewendet, in der Regel Personen, die sich ohne Probleme mit ihren Zeitgenossen im 20. (oder inzwischen 21.) Jahrhundert unterhalten könnten. Was Descartes jedoch zu einem wahren Vertreter der Moderne macht, ist die Tatsache, dass er es wagte, alle philosophischen und wissenschaftlichen Gewissheiten, die vor seiner Zeit bestanden hatten,
in Frage zu stellen.
Er hat einmal gesagt, seine «Gier zu lernen» habe ihm «nur einen Vorteil gebracht, nämlich die stetig anwachsende Erkenntnis meiner Unwissenheit …». In seinem gefeierten
Bericht über die Methode
schrieb er: «Von der Philosophie will ich nichts weiter sagen, nur dies: Ich sah, dass sie von den hervorragendsten Geistern, die über mehrere Jahrhunderte hinweg gelebt haben, gepflegt worden ist und dass es in ihr dennoch nicht eine Sache gibt, über die man nicht streiten würde und die folglich nicht zweifelhaft wäre.» Auch wenn so vielen seiner eigenen philosophischen Ideen kein wesentlich anderes Schicksal beschieden und Philosophen späterer Generationen auch in Descartes’ Aussagen und Folgerungen gravierende Mängel aufzeigen sollten, lässt ihn seine erfrischend unverbrauchte Skepsis gegenüber den grundlegendsten Vorstellungen und Ideen noch heute modern bis ins Mark erscheinen. Und aus dem Blickwinkel des vorliegenden Buches noch wichtiger – Descartes hat erkannt, dass die Verfahren und Methoden des Schlussfolgerns in der Mathematik genau die Artvon
Sicherheit
boten, die die scholastische Philosophie hatte vermissen lassen. Im
Bericht über die Methode
heißt es klar und unumwunden:
Jene langen Ketten ganz einfacher und leicht verständlicher Gründe, deren sich die Geometer zu bedienen pflegen, um ihre schwierigsten Beweise zustande zu bringen, hatten in mir die Vorstellung erweckt, dass alle Dinge, die Gegenstand menschlicher Erkenntnis sein können, in der gleichen Weise aufeinanderfolgen und dass es – vorausgesetzt, man sieht davon ab, etwas als wahr zu akzeptieren, was es nicht ist, und man behält immer die Orientierung bei, die notwendig ist, um das eine aus dem anderen abzuleiten – nichts so Fernliegendes geben kann, zu dem man nicht doch schließlich gelangte, und nichts so Verstecktes, dass man es nicht doch entdeckte.
Diese kühne Aussage geht in gewisser Hinsicht sogar noch weiter als Galilei in seinen Ansichten: Nicht nur sei das physikalische Universum in der Sprache der Mathematik geschrieben, nein, das gesamte menschliche Wissen folge der Logik der Mathematik. Mit Descartes’ Worten:
… weshalb Arithmetik und Geometrie mit weit größerer Sicherheit vor allen übrigen Wissenszweigen bestehen: weil nämlich sie allein sich mit einem so reinen und einfachen Gegenstand voraussetzen, dass sie gar nichts voraussetzen, was die Erfahrung unsicher zu machen imstande wäre, sondern gänzlich in verstandesmäßig abzuleitenden Folgen bestehen. Sie sind daher am leichtesten und durchsichtigsten von allen und haben einen Gegenstand, so wie wir ihn fordern, da hierbei der Irrtum, von Unaufmerksamkeit abgesehen, wohl kaum Menschenlos sein dürfte … aus alledem folgt, nicht zwar, daß man allein Arithmetik und Geometrie betreiben soll, aber doch, daß die, welche den rechten Weg zur Wahrheit suchen, sich mit keinem Gegenstand beschäftigen dürfen, von dem sie nicht eine den arithmetischen und geometrischen Beweisen gleichwertige Gewißheit zu erlangen imstande sind.
Eines seiner Ziele bestand daher in dem unermüdlichen Streben zu zeigen, dass die Welt der Physik, die für ihn eine mathematisch beschreibbare Realität war, dargestellt werden konnte, ohne sich aufunsere oftmals irreführenden Sinneseindrücke stützen zu müssen. Er vertrat die Ansicht, dass der Geist, was die Augen sehen, filtern und die Wahrnehmungen in Ideen umwandeln solle. Schließlich, so Descartes, können «genau dieselben Gedanken, die wir im Wachen haben, uns auch kommen …, wenn wir schlafen, ohne dass einer davon dann wahr wäre». Aber, so fragte er sich, wenn alles, was wir als Realität wahrnehmen, in Wirklichkeit womöglich nur ein Traum sein könnte, woher sollen wir dann wissen, ob die Erde und der Himmel nicht nur «Illusionen [unserer] Träume» sind, die sich in unserer Wahrnehmung durch irgendeinen böswilligen Dämon von unbegrenzter Macht einnisten?
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