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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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würdigen:
    Nacht barg Natur und Naturgesetze vor Menschensicht.
Gott sprach: «Lasst Newton sein!» Und es ward Licht
.
    Beinahe hundert Jahre nach Newtons Tod dichtete Lord Byron (1788–1824) für sein Versepos Don Juan über ihn die Zeilen:
    Der erste Mensch seit Adam, dem’s auf Erden Gelang, durch Fall und Apfel groß zu werden
    Für die nachfolgenden Generationen an Wissenschaftlern war und sollte sich Newton – allen Mythos einmal beiseitegelassen – in der Tat als eine Gestalt von legendären Dimensionen erweisen. Newtons berühmtes Zitat «Falls ich weiter geblickt habe als andere, so nur, weil ich auf den Schultern von Riesen stand» gilt oftmals als Musterbeispiel für den Großmut und die Bescheidenheit, die ein Wissenschaftler seinen größten Leistungen gegenüber an den Tag legte. In Wirklichkeit hat Newton diesen Spruch womöglich als verhüllt sarkastische Antwort auf einen Brief von jenem Menschen geschrieben, den er als seinen wissenschaftlichen Hauptgegner ansah: den ungemein produktiven Physiker und Biologen Robert Hooke (1635–1703). Hooke hatte Newton bei mehr als einer Gelegenheit beschuldigt, Ideen von ihm – zuerst zur Theorie des Lichts und später zur Gravitation – gestohlen zu haben. Am 20. Januar 1676 schlug Hooke einen versöhnlicheren Ton an und erklärte in einem Brief an Newton: «Eure Entwürfe unddie meinen [die Theorie des Lichts betreffend] zielen, so nehme ich an, beide auf dasselbe, namentlich die Entdeckung der Wahrheit, und ich nehme an, wir können beide Einwände ertragen.» Newton beschloss mitzuspielen. In seiner Antwort auf Hookes Brief vom 5. Februar 1676 schrieb er: «Was Des-Cartes [Descartes] getan hat war ein guter Schritt [er bezieht sich dabei auf dessen Überlegungen zur Natur des Lichts]. Ihr habt in mehrerer Hinsicht viel beigetragen, insbesondere, indem Ihr die Farben dünner Blättchen in eure philosophischen Betrachtungen eingeschlossen habt. Wenn ich weiter geblickt habe als andere, so nur, weil ich auf den Schultern von Riesen stand.» Da Hooke alles andere als ein Riese und obendrein mit einem gewaltigen Buckel geschlagen war, kann Newtons bekanntestes Zitat durchaus auch so zu lesen sein, als sei er der Ansicht, Hooke nicht das Geringste schuldig zu sein! Die Tatsache, dass Newton keine Gelegenheit ausließ, Hooke zu beleidigen, seine Aussage, dass seine eigene Theorie «alles, was er [Hooke] gesagt hat», über den Haufen wirft, und seine Weigerung, sein eigenes Buch über das Licht –
Optik –
vor Hookes Ableben drucken zu lassen, legen den Verdacht nahe, dass diese Interpretation des Zitats möglicherweise nicht allzu weit hergeholt ist. Die Fehde zwischen den beiden Wissenschaftlern erreichte einen neuen Höhepunkt, als die Gravitationstheorie formuliert war. Als Newton zu Ohren kam, Hooke habe behauptet, Urheber des Gravitationsgesetzes zu sein, entfernte er aus dem Schlussteil seines eigenen Buchs zu diesem Thema penibel und nachtragend jedweden Verweis auf Hookes Namen. An seinen Freund, den Astronomen Edmond Halley (1656–1742), schrieb Newton am 20. Juni 1686:

    Abbildung 26
    Er [Hooke] hätte sich lieber wegen seiner Unfähigkeit entschuldigen sollen. Denn aus seinen Worten geht klar hervor, dass er nicht wusste, was er mit alledem anfangen sollte. Nun, ist das nicht ganz wunderbar? Mathematiker, die etwas herausfinden, klären und alle Arbeit verrichten, müssen sich damit zufriedengeben, nichts weiter zu sein als trockene Rechenmeister und Arbeitstiere, und ein anderer, der nichts weit tut, als anzugeben und sich alle Dinge unter den Nagel zu reißen, darf sich mit dem ganzen Erfindergeist sowohl all jener schmücken, die ihm folgen, als auch derer, die vor ihm hergegangen sind.
    Newton macht mehr als klar, warum er der Ansicht ist, dass Hooke keinerlei Würdigung verdient – er konnte seine Überlegungen nicht in der Sprache der Mathematik formulieren. Ja, die Stärke, die Newtons Arbeiten wahrhaft herausstechen ließ, das für sie so Charakteristische, was aus seinen Ergebnissen eherne Naturgesetze machte, war eben genau die Tatsache, dass sie alle als kristallklare, in sich schlüssige mathematische Beziehungen formuliert waren. Hookes theoretische Überlegungen, so genial sie in vielen Fällen auch waren, wirkten dagegen wie eine Sammlung aus Ahnungen, Mutmaßungen und Spekulationen.
    Der Zufall wollte es, dass die handgeschriebenen Protokolle der Royal Society aus den Jahren 1661 bis 1682, die lange Zeit hindurch als

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