Ist Gott ein Mathematiker
gemeinsamen Elemente verfügen, repräsentiert nach Boole das Zeichen
«x
+
y»
eine Klasse, die sowohl die Elemente aus
x
als auch die Elemente aus
y
enthält. Im Falle von Aussagen bedeutet
«x
+
y»
«entweder
x
oder
y,
aber nichtbeide». Lautet beispielsweise die Aussage
x
«Wäscheklammern sind eckig» und lautet
y
«Wäscheklammern sind rund», dann hieße
x
+
y
«Wäscheklammern sind entweder eckig oder rund». Ganz ähnlich steht «x – y» für die Klasse aus Elementen von x, die kein Element von
y
sind, oder die Aussage «x, aber nicht y». Boole bezeichnete die Universalklasse (die alle möglichen in Frage kommenden Elemente umfasst) mit 1, die leere oder Nullklasse (die über keine wie auch immer gearteten Elemente verfügt) mit 0. Man beachte, dass die Nullklasse (oder Nullmenge) beileibe nicht dasselbe ist wie die Zahl 0 – Letztere bezeichnet nur die Zahl der Elemente in einer Nullklasse. Man beachte ferner, dass die Nullklasse nicht dasselbe ist wie nichts, denn eine Klasse mit nichts darin (mit null Elementen) ist immer noch eine Klasse. Wenn zum Beispiel alle Zeitungen in Albanien in albanischer Sprache geschrieben wären, würde in Booles Notation die Klasse sämtlicher auf Albanisch abgefassten Zeitungen in Albanien mit der Zahl 1 verzeichnet, wohingegen die Klasse der spanischsprachigen Zeitungen in Albanien mit einer 0 zu Buche schlagen würden. Im Falle von Aussagen steht 1 für den Wahrheitswert
wahr
(zum Beispiel: Alle Menschen sind sterblich) und 0 für den Wahrheitswert
falsch
(Menschen sind unsterblich).
Auf der Grundlage dieser Konventionen war Boole imstande, eine Reihe von Axiomen zu formulieren, die eine Algebra der Logik definieren. Sie können beispielsweise leicht nachprüfen, dass sich mit den oben genannten Definitionen die offensichtlich wahre Aussage «Alles ist entweder
x
oder nicht
x»
in Boole’scher Algebra schreiben lässt als
x
+ (1 – x) = 1, ein Term, der auch in der gewöhnlichen Algebra gilt. Ganz ähnlich wird die Aussage, dass die Schnittmenge zwischen einer beliebigen Klasse und einer Nullklasse selbst eine Nullklasse ist, durch 0 ×
x
= 0 dargestellt, was gleichzeitig auch besagt, dass die Konjunktion einer beliebigen Aussage mit einer falschen Aussage falsch ist. So liefert die Konjunktion der beiden Aussagen «Zucker ist süß, und Menschen sind unsterblich» eine falsche Aussage, obwohl der erste Teil wahr ist. Man beachte wiederum, dass diese «Gleichheit» in der Boole’schen Algebra auch für Zahlenoperationen in normaler Algebra gilt.
Um die Tauglichkeit seiner Methoden zu demonstrieren, wandte Boole seine Logiksymbole auf alles an, was ihm wichtig erschien. Soanalysiert er zum Beispiel sogar die Argumente der Philosophen Samuel Clarke und Baruch Spinoza hinsichtlich der Existenz und der Eigenschaften Gottes. Seine Schlussfolgerung war allerdings wenig optimistisch: «Es ist nicht möglich, glaube ich, aus der Durchsicht der Argumente Clarkes und Spinozas hervorzugehen, ohne von der Vergeblichkeit aller Unterfangen, die Existenz eines Unendlichen Wesens, Seiner Eigenschaften und Seiner Beziehung zum Universum
a priori
zu belegen, zutiefst überzeugt zu sein.» Trotz aller Stichhaltigkeit der Boole’schen Schlussfolgerung ist und war allem Anschein nach nicht jedermann von der Vergeblichkeit solcher Unterfangen überzeugt, denn aktualisierte Versionen des ontologischen Arguments für die Existenz Gottes werden noch heute ständig vorgelegt.
Alles in allem brachte Boole es fertig, die logischen Verknüpfungen und,
oder, wenn
… so, und
nicht
mathematisch zu zähmen; heutzutage bilden diese das Herz jeder Rechneroperation und verschiedener Schaltkreise. Boole wird folglich von vielen als einer der «Propheten» betrachtet, die das digitale Zeitalter eingeläutet haben. Trotz ihrer wegbereitenden Qualitäten aber war Booles Algebra alles andere als vollkommen. Erstens sind Booles Schriften in gewisser Weise unübersichtlich und schwer verständlich, weil er sich in seiner Notation zu eng an die gewöhnliche Algebra hielt. Zweitens brachte er die Unterscheidung zwischen Aussagen (wie «Aristoteles ist sterblich», Aussagenfunktionen oder Prädikaten (wie
«x
ist sterblich») und quantifizierten Aussagen (wie «für alle
x: x
ist sterblich») durcheinander. Frege und Russell sollten schließlich zu der Überzeugung gelangen, dass die Algebra aus der Logik hervorgegangen sei und nicht umgekehrt. Man könnte deshalb den Standpunkt vertreten, dass es
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