Ist Gott ein Mathematiker
von neunundvierzig Jahren. An einem kalten Wintertag des Jahres 1864 wurde er auf dem Weg zum College bis auf die Haut nass, bestand jedoch darauf, seine Vorlesungen zu halten, ohne seine Kleider zu wechseln. Daheim mag seine Frau seinen Zustand womöglich verschlechtert haben, als sie ihm eimerweise Wasser aufs Bett schüttete, gemäß einem alten Aberglauben, dem zufolge man den Teufel mit Beelzebub austreiben müsse. Boole erkrankte an einer Lungenentzündung und verstarb am 8. Dezember 1864. Bertrand Russell machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für diesen großen Autodidakten: «Die reine Mathematik wurde von Boole entdeckt in einem Werk, das er
The Laws of Thought
(1864) [‹Die Gesetze des Denkens›] nannte … Sein Buch befasste sich in Wirklichkeit mit formaler Logik, und das ist nichts anderes als Mathematik.» Für die damalige Zeit bemerkenswert ist übrigens, dass sowohl Mary Boole (1832–1916) als auch alle fünf Töchter des Paares beträchtliches Ansehen auf verschiedenen Wissenschaftsgebieten – von der Pädagogik bis hin zur Chemie – erwarben.
Im Jahr 1847 veröffentlichte Boole
The Mathematical Analysis of Logic,
1854
The Laws of Thought
(deren vollständiger Titel lautet:
An Investigation of the Laws of Thought, on Which Are Founded the Mathematical Theories of Logic and Probabilities,
«Eine Untersuchung zu den Gesetzen des Denkens, auf das sich die mathematischen Theorien der Logik und der Wahrscheinlichkeiten gründen»). Beides waren echte Meisterwerke – die ersten, die die Parallelität zwischen logischen und arithmetischen Operationen einen Riesenschritt voranbrachten. Boole transformierte die Logik tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes in eine Form von Algebra (die man später als
Boole’sche Algebra
bezeichnen sollte) und weitete seine logische Analytik sogar auf Wahrscheinlichkeiten aus. Mit Booles Worten:
Inhalt der folgenden Abhandlung
[The Laws of Thought]
ist es, die zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten jener Operationen des Geistes zu untersuchen, mittels derer Schlussfolgerungen durchgeführt werden, diesen in der Symbolsprache eines Kalküls Ausdruck zu verleihen und auf diesem Fundament die Wissenschaft der Logik zu errichten und ihre Methode zu konstruieren, sodann diese Methodeselbst zur Grundlage einer allgemeinen Methode für die Anwendung der mathematischen Lehre von Wahrscheinlichkeiten zu machen und schließlich aus den verschiedenen Elementen der Wahrheit, die im Verlauf dieser Forschungen ans Licht kommen werden, zu einigen wahrscheinlichen Mutmaßungen über das Wesen und die Beschaffenheit des menschlichen Geistes zu gelangen.
Booles formales System (Kalkül) ließ sich sowohl auf Beziehungen zwischen
Klassen
(Gruppen von Gegenständen oder sonstigen Arten von Elementen) als auch im Rahmen der
Aussagenlogik
anwenden. Wenn
x
und
y
beispielsweise zwei Klassen sind, dann bedeutet eine Beziehung wie
x
=
y,
dass die beiden Klassen genau dieselben Elemente umfassen, auch wenn beide Klassen völlig unterschiedlich definiert sind. Ein Beispiel: Sind alle Schüler an einer bestimmten Schule kleiner als 2 Meter, dann lassen sich zwei Klassen definieren:
x
= «alle Schüler der Schule» und
y
= «alle Schüler dieser Schule, die kleiner als zwei Meter sind», die beiden Klassen sind in diesem Falle deckungsgleich. Wenn
x
und
y
Aussagen repräsentieren, dann bedeutet
x
= y, dass die beiden Aussagen einander äquivalent sind (dass eine von beiden wahr ist, wenn und nur wenn die andere auch wahr ist). So sind zum Beispiel die beiden Aussagen
x
= «John Barrymore war Ethel Barrymores Bruder» und
y
= «Ethel Barrymore war John Barrymores Schwester» äquivalent. Das Symbol «x × y» steht für den beiden Klassen (x und
y
in diesem Falle) gemeinsamen Anteil (für jene Elemente also, die sowohl zu
x
als auch zu
y
gehören) oder für die
Konjunktion
(die «Und-Verknüpfung» wenn man so will) der beiden Aussagen
x
und
y
(also «x
und y
»). Bildete zum Beispiel
x
die Klasse aller Dorftrottel und
y
die Klasse aller Wesen mit schwarzen Haaren, dann stünde
x
×
y
für alle Dorftrottel mit schwarzen Haaren. Für die Aussagen
x
und
y
bedeutet die Verknüpfung
x
×
y
(oder das Wörtchen «und»), dass beide Aussagen wahr sein müssen. Wenn Ihnen die Führerscheinzulassungsstelle beispielsweise erklärt, «Sie müssen einen Sehtest und eine Fahrprüfung absolvieren», dann heißt das, Sie haben beide Forderungen zu erfüllen. Für zwei Klassen, die über keine
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