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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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1, dann bedeutet dies, dass f eine Funktion der Variablen
x
ist und dass sich der Wert dieser Funktion für einen gegebenen
x
-Wert dadurch errechnet, dass man diesen mit drei multipliziert und dann eins hinzuzählt. Frege hat, was er
Begriffe
nennt, über Funktionen definiert. Angenommen, Sie wollen den Bedeutungsinhalt «isst Fleisch» als Begriff diskutieren. Dieser Begriff würde symbolisch durch eine Funktion
«F(x)»
dargestellt, und der Wert (das Ergebnis) dieser Funktion wäre «wahr», wenn
x
= Löwe, und «falsch», wenn
x
= Reh. Auf Zahlen angewendet, ergäbe die Funktion «kleiner als sieben» in ähnlicher Weise «falsch» für alle Zahlen, die gleich sieben oder größer sind, «wahr» hingegen für alle Zahlen unter sieben. Frege nennt Gegenstände, für die ein bestimmter Begriff das Urteil (den Wahrheitswert) «wahr» ergibt, «unter den Begriff fallend».
    Wie ich oben bereits erwähnt habe, war Frege fest davon überzeugt, dass sich jede Aussage über die natürlichen Zahlen einzig aus logischen Definitionen und Regeln herleiten und erkennen lasse. Demzufolge konnte er seine Ausführungen zum Thema natürliche Zahlen anstellen, ohne eine vorherige Definition des Begriffs «Zahl» fordern zu müssen. In Freges logischer Sprache sind beispielsweise zwei Begriffe
zahlengleich
(ihnen ist dieselbe Anzahl zuzuordnen), wenn es eine Eins-zu-eins-Entsprechung zwischen den Gegenständen gibt, die unter den einen Begriff fallen, und denen, die unter den anderen fallen. So sind Mülltonnendeckel zahlengleich mit den Mülltonnen selbst (so jede Tonne einen Deckel hat), und zu dieser Definition bedarf es keinerlei Erwähnung von Zahlen. Dann führte Frege eine geniale Definition der Zahl 0 ein. Stellen Sie sich eine Begriffsfunktionvor, die durch die Angabe «nicht mit sich selbst identisch» oder, wie Frege es nennt, «sich selbst ungleich» definiert ist. Da ja jeder Gegenstand mit sich selbst identisch sein muss, fällt unter
F
nichts. Mit anderen Worten: Für jeden beliebigen Gegenstand
x
ist
F(x)
= falsch. Frege definiert die Zahl 0 als die Anzahl, welche dem Begriff «sich selbst ungleich» zukommt. Im Weiteren definiert er die natürlichen Zahlen über eine Reihe von logischen Schritten, die man als
Extensionen
bezeichnet. Die Extension eines Begriffs bildet eine Klasse all der Gegenstände, die unter jenen Begriff fallen. Diese Definition mag für den Nichtlogiker nicht allzu leicht verdaulich erscheinen, ist aber in Wirklichkeit recht einfach. Der Begriffsumfang von «Frau» zum Beispiel ist die Gesamtheit aller Frauen. Man beachte, dass der Umfang des Begriffs Frau nicht selbst eine Frau ist.
    Sie mögen sich vielleicht fragen, wie diese abstrakte logische Definition dazu beitragen soll, sagen wir, die Zahl 4 zu definieren. Laut Frege ist die Zahl 4 der Begriffsumfang (oder die Klasse) aller unter den Begriff Vier fallenden Entitäten, sprich aller Gruppen von vier Gegenständen. «Ein Bein eines Hundes namens Snoopy» würde dementsprechend genauso zu dieser Klasse (und somit zu der Anzahl 4) gehören wie der Begriff «Großeltern von Gottlob Frege».
    Freges Programm war außerordentlich eindrucksvoll, allerdings auch mit einigen schweren Mängeln behaftet. Auf der einen Seite war die Idee, Begriffe – das A und O des Denkens – zu verwenden, um daraus Arithmetik zu konstruieren, schlicht genial. Auf der anderen Seite übersah Frege an seinem Formalismus einige entscheidende Inkonsistenzen. Vor allem eines seiner Axiome – bekannt unter dem Namen
Grundgesetz V –
führte, wie sich zeigen sollte, zu einem unlösbaren Widerspruch und war damit dem Untergang geweiht.
    Das besagte Grundgesetz selbst stellt völlig unschuldig fest, dass der Umfang eines Begriffs
P
dann und nur dann gleich dem Umfang eines Begriffs
Q
ist, wenn alle Gegenstände, die unter
P
fallen, auch unter
Q
fallen, und umgekehrt. Die Bombe platzte am 16. Juni 1902, als Bertrand Russell (Abbildung 48) Frege einen Brief schrieb, in dem er diesen darauf hinwies, dass ein gewisses Paradoxon zeige, dass Axiom V nicht widerspruchsfrei sei. Wie der Zufall so spielt, traf Russells Brief just in dem Augenblick ein, in dem Freges
Grundgesetzeder Arithmetik
hätten in Druck gehen sollen. Der schockierte Frege sah sich veranlasst, seinem Manuskript folgendes freimütiges Eingeständnis hinzuzufügen: «Einem wissenschaftlichen Schriftsteller kann kaum etwas Unerwünschteres begegnen, als dass ihm nach Vollendung seiner Arbeit eine der

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