Ist Gott ein Mathematiker
sinnvoller wäre, Algebra auf der Grundlage von Logik zu konstruieren, statt andersherum vorzugehen.
Es gab jedoch noch einen weiteren Aspekt an Booles Arbeiten, der sich als höchst fruchtbar erweisen sollte, und zwar die Einsicht, in welch enger Beziehung die Logik und die Begriffe von
Klassen
oder
Mengen
zueinander stehen. Erinnern Sie sich, dass die Boole’sche Algebra sich gleich gut auf Klassen wie auf logische Aussagen anwenden ließ? Wenn daher alle Elemente einer Menge
X
gleichzeitig Elemente der Menge
Y
sind (X eine
Teilmenge
von
Y
ist), dann lässt sichdiese Tatsache ausdrücken als
logische Implikation
der Form «wenn X, dann
Y».
So lässt sich beispielsweise die Tatsache, dass die Menge aller Pferde eine Teilmenge aller vierbeinigen Tiere ist, als die logische Aussage umschreiben: «Wenn
X
ein Pferd ist, dann ist es ein vierbeiniges Tier.»
Abbildung 47
Die Boole’sche Algebra der Logik sollte schließlich von einer ganzen Reihe Forscher ausgeweitet und weiterentwickelt werden; derjenige aber, der die Parallelen zwischen der Mengenlehre und der Logik voll ausschöpfte und das Gesamtkonzept auf eine ganz neue Ebene hob, war Gottlob Frege (Abbildung 47).
Friedrich Ludwig Gottlob Frege wurde in Wismar geboren, sein Vater und seine Mutter waren beide zu unterschiedlichen Zeiten Direktoren des dortigen Lyzeums. Er studierte Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie zuerst an der Universität Jena und später fürzwei weitere Jahre an der Universität Göttingen. Nach Abschluss seines Studiums begann er im Jahr 1874 als Privatdozent in Jena zu lehren, wo er sein gesamtes Berufsleben hindurch Mathematik unterrichten sollte. Trotz zahlreicher Lehrverpflichtungen brachte Frege es fertig, im Jahr 1879 sein erstes revolutionäres Werk auf dem Gebiet der Logik zu veröffentlichen, es trug den Titel
Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens,
meist kurz als
Begriffsschrift
bezeichnet. In diesem Werk entwickelte Frege eine logische Sprache, die er später in seinem zweibändigen Werk
Grundgesetze der Arithmetik
weiter ausbaute. Freges Vorhaben auf dem Gebiet der Logik war überaus zielstrebig und außerordentlich ehrgeizig. Er konzentrierte sich primär auf die Arithmetik und bemühte sich zu zeigen, dass selbst so vertraute Konzepte wie das Reich der natürlichen Zahlen – 1, 2, 3, … – sich auf logische Konstrukte reduzieren ließen. Frege war folglich der Ansicht, man könne sämtliche arithmetischen Wahrheiten aus einigen wenigen Axiomen der Logik herleiten. Mit anderen Worten: Laut Frege sind selbst Aussagen wie 1 + 1 = 2 keine
empirischen,
auf Beobachtungen basierenden Wahrheiten, sondern lassen sich aus einer Reihe von Axiomen logisch herleiten. Freges
Begriffsschrift
war von solchem Einfluss, dass sie den Logiker Willard Van Orman Quine (1908–2000) zu der Feststellung veranlasste: «Logik ist ein altes Gebiet, aber seit 1879 ist es ein großartiges.»
Von zentraler Bedeutung für Freges Philosophie war die Aussage, dass Wahrheit unabhängig vom menschlichen Urteil ist. In seinen
Grundgesetzen der Arithmetik
schreibt er: «Wahr sein ist etwas ganz anderes als Fürwahrgehaltenwerden, sei es von Einem, sei es von Vielen, sei es von Allen, und ist in keiner Weise darauf zurückzuführen. Es ist kein Widerspruch, dass etwas wahr ist, was von Allen für falsch gehalten wird. Ich verstehe unter den Gesetzen der Logik nicht psychologische Gesetze des Fürwahrhaltens, sondern Gesetze des Wahrseins. … sie [die Gesetze des Wahrseins] sind Grenzsteine in einem ewigen Grunde befestigt, von unserem Denken überfluthbar zwar, doch nicht verrückbar.»
Freges logische Axiome haben allgemein die Form «wenn …, so …». So lautet beispielsweise eines seiner Axiome: «wenn nicht(nicht-
p
), so
p».
Dieses Axiom besagt in Worte gefasst: Wenn eine Aussage, die der gerade betrachteten widerspricht, falsch ist, dann ist die Aussage selbst wahr. Wenn es zum Beispiel nicht wahr ist, dass Sie bei einem Stoppzeichen mit Ihrem Auto nicht anhalten müssen, dann müssen Sie definitiv am Stoppzeichen halten. Um wirklich eine logische «Sprache» zu entwickeln, ergänzte Frege seine Sammlung von Axiomen um ein wichtiges neues Merkmal. Er ersetzte den herkömmlichen Subjekt/Prädikat-Stil der klassischen Logik durch Zeichen, die er der mathematischen Funktionslehre entnommen hatte. Lassen Sie mich das kurz erklären. Wenn man in der Mathematik Dinge schreibt wie f(x) = 3x +
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