Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
führen, sondern sie sagen: Wieso? Ich hab doch keinem etwas zuleide getan. Ich hab doch nur Bilder geguckt und
mir dabei einen runtergeholt. Ich hab doch nichts getan. Wenn sie das überhaupt sagen und nicht behaupten, der ganze Kram wäre irrtümlich in ihren Computer gelangt.
Genau das ist es, was ich mit Abspaltung meine. Diese Menschen spalten einen Teil von sich selbst aus ihrem sonstigen Leben ab. Kinderpornographie. Sadomaso-Praktiken. Prostituierte. Heimliche Sex-Dates, ob real oder virtuell, und so weiter.
Die meisten dieser Geschichten müssten nicht so scheußlich werden, wenn die Pole integriert, erst mal überhaupt akzeptiert würden. Die Psychologin des Tochterquälers beschrieb sehr anschaulich, dass in diesem Mann alle möglichen Triebe, Bedürfnisse, Gefühle brodelten, langsam in die eine oder andere Richtung die Fühler ausstreckten, anfangs noch in »harmlosen« Tätigkeiten ein Ventil fanden, wie den Keller ausbauen, eine besondere Tür einhängen, ein Bett hinstellen. Es geschah
unbewusst
und
abgespalten
.
In dem Augenblick, in dem wir unsere Bedürfnisse akzeptieren und uns bewusst machen, können wir uns damit auseinandersetzen. Dann haben wir die Wahl und können uns entscheiden. Im Zweifelsfall auch dafür, uns Hilfe zu holen, um andere Menschen, aber auch uns selbst zu schützen. Eine meiner Klientinnen bekam erotische Gefühle, wenn sie ein nacktes Kindergeschlecht sah. Sie quälte sich deshalb ganz furchtbar, weil es all ihren Werten widersprach. Allein es mir erzählt zu haben war ein Integrationsakt. Es war ein Teil von ihr. Ich verurteilte sie nicht. Wir beide wussten, dass sie keinem Kind etwas zuleide tun würde. Aber wir schauten uns an, was ihre An
trieb
skraft war.
Manche Frauen phantasieren Vergewaltigungsszenen, wenn sie mit einem geliebten Mann Liebe machen. Viele kommen sich dabei pervers vor und schämen sich. Manche Männer phantasieren, eine Frau zu vergewaltigen, ja, zu demütigen, zu quälen, vollkommen in ihre Macht zu nehmen. Sie schauen sich entsprechende Pornofilme an, masturbieren
und schämen sich. Manche sehnen sich nach einer Domina oder bezahlen Geld dafür, unterworfen zu werden.
All das sind letztlich keine »Krankheiten«. Es sind Störungen. Sie gefährden die sorgfältig aufgebaute Fassade. Aber sie halten sie auch aufrecht. Sie verbannen Wahrhaftigkeit aus dem Leben. Sie stören eine gesunde, harmonische Partnerschaft.
Aber schauen wir doch ehrlich und genau hin: Die weiblichen Phantasien, vergewaltigt zu werden, haben oft Frauen, die aktiv, bestimmend, auch sexuell aktiv sind. In ihrer Beziehung können sie nicht passiv sein, werden nicht »genommen«. Sie haben eine große unbefriedigte Sehnsucht, sich einfach nur hinzugeben, nicht verantwortlich zu sein. Sehnsucht und Angst. Denn hätten sie diese Angst nicht, wüsste ihr Partner von ihrem Wunsch nach Passivität.
Sado-Phantasien oder auch -praktiken findet man häufig bei Männern, die sich irgendwie hilflos, klein, von Frauen dominiert oder manipuliert fühlen. Das kann auf die Mutter zurückgehen. Das kann auf bestimmte Erfahrungen zurückgehen oder einfach auf Männlichkeitsphantasien, die nie ausgelebt wurden.
Hingegen zieht es mächtige »Macher« oft zur Maso-Seite, zur Domina. Nirgends leben sie ihre Sehnsucht nach Passivität, nach Anpassung, nach Hingabe. Immer müssen sie die Kontrolle haben, bis sie komplett überspannt sind.
Zur Kinderpornographie (ich weiß, welch furchtbares Thema das ist, aber dennoch) fühlen sich meist Männer hingezogen, die in ihrem normalen Leben Teile ihrer Persönlichkeit von sich abspalten. Oft sind es Weichheit, Verletzlichkeit, Offenheit, Kindlichkeit. Sie sind nicht wirklich stark, sie sind keine gereiften Männer geworden, die ihre Schwäche in ihre Stärke integriert haben, sondern sie haben eine Fassade von Stärke entwickelt, hinter der eine emotionale Unreife steht. Reifen, starken Frauen fühlen sie sich als Mann nicht gewachsen, entwickeln Unlust, um sich vor
der sexuellen Herausforderung zu schützen. Erst bei ganz Schwachen und Gedemütigten können sie Lust und Erregung zulassen.
Jetzt sagst du vielleicht: Das hat alles nichts mit mir zu tun. Und das stimmt ja auch. All diese Extrembeispiele betreffen dich wahrscheinlich nicht. Aber sie verdeutlichen etwas: Wenn wir einen Teil von uns abspalten, desintegrieren, machen wir wirkliche Nähe letztlich unmöglich. Denn wir sind uns selbst nicht nah. Wir funktionieren in der Beziehung in allen
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