Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
hingegen hatte vorher eine belastende Beziehung, in der schöne Zeiten mit dramatischen Abstürzen endeten und es kaum einmal eine Woche ohne riesige Probleme gab. Er hatte sich selbst im Laufe der Zeit als angstgehemmten Mann erlebt und abstoßend gefunden. Wenn seine neue Partnerin nun ein Problem ansprechen will, das sie mit ihm hat, wehrt er es fast reflexartig ab. Probleme sind für ihn ein rotes Tuch, dann wird er zum Stier. Er ist ein klassischer Vom-Tisch-Wischer geworden. Wenn sie etwas äußert, das ihn fordert, empfindet er Hilflosigkeit und zeigt alle Verhaltensweisen, die man an den Tag legen kann, um nicht zu hören.
Ihr könnt euch denken, dass seine Partnerin schon ganz krank ist von dieser neuen Beziehung, die sie als Falle empfindet. Sie hat sich in einen Mann verliebt, der aufgrund seiner alten Beziehung anfangs nachdenklich und bereitwillig wirkte, eine offene und befriedigende Beziehung zu entwickeln, und nun das!
Zum Glück sind beide bereit, sich mit den Altlasten auseinanderzusetzen, sie nicht dem andern in die Schuhe zu schieben. Sonst würde diese junge Beziehung ganz sicher bald zerbrechen. Oder in einer Dauerkrise steckenbleiben.
Du tust also gut daran, den Altlastrucksack aufzuschnüren und auszupacken. Schau dir die Steine einmal an!
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Was haben deine Eltern dir aufgebürdet? Nenn zehn Lasten.
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Welche Last spürst du heute noch?
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Auf welche Weise?
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Welche davon wirken sich auf deine jetzige Partnerschaft aus?
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Auf welche Weise?
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Und auch die Partnerschaften, die du vor deiner jetzigen hattest, haben sehr wahrscheinlich Altlasten in deinem Beziehungsrucksack hinterlassen. Also kannst du dir zu jedem der vergangenen Partner die gleichen Fragen stellen: Welche Lasten hat er dir aufgebürdet?
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Auf welche Weise?
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Welche spürst du jetzt noch?
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Welche wirkt sich auf deine jetzige Partnerschaft aus?
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Auf welche Weise?
Ich will und kann kein Patentrezept geben, wie die Altlasten möglichst schnell abgeworfen werden können. Für die Ungeduldigen aber bereits hier und jetzt ein paar Vorschläge für wunderbar magisch wirkende spielerische Experimente:
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Schreib die Altlast auf einen Zettel und verbrenn diesen im Osterfeuer oder an Silvester oder an deinem Geburtstag oder, wenn grad kein Feiertag in Sicht ist, in einem Feuer, das du nur für dich selbst entzündest.
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Such dir ein Symbol für die Altlast und versenk dieses in einem See oder Fluss, verabschiede sie mit Respekt.
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Schreib einen Wutbrief an den Menschen, der dir diese Last aufgebürdet hat, und schick ihn ab, oder lies ihn laut auf einem hohen Turm vor, oder schick ihn in der Flaschenpost fort, oder verbrenne ihn.
All das kann Wunder wirken, muss es aber nicht. Manches ist tief eingegraben und braucht Zeit und Achtsamkeit, um ganz allmählich zu verschwinden.
Wichtig ist, dass du dir überhaupt erst einmal klar darüber wirst, wie sich die Probleme, die du mitbringst, auf deine jetzige Beziehung auswirken. Und dann ist es heilsam,
wenn ihr miteinander darüber sprecht. Wenn du dich deinem Partner in deiner ganzen zarten Verletztheit zeigst. Wenn du ihn um Verständnis bittest. Wenn du ihm sagst, dass es zuerst einmal nichts mit ihm zu tun hat, sondern ausschließlich mit dir selbst.
Auf einer paartherapeutischen Fortbildung wurde ich tief berührt von einem Paar: Die Frau war als Mädchen sexuell missbraucht worden. Sie hatte einen ungewöhnlich wundervollen Mann. Er war einfühlsam, sensibel und zugleich kraftvoll und belastbar. Sie wusste das. Doch gleichzeitig war in ihr dieser Männerhass. In jener Fortbildungsgruppe hat sie getobt, um sich geschlagen und geschrien: »Männer sind Arschlöcher, ich hasse Männer! Männer sind Vergewaltiger! Männer nutzen Frauen aus! Männer benutzen Frauen. Männer machen Frauen klein! Männer … «
All die Gefühle, die sie als kleines Mädchen nicht zeigen konnte, die sie seitdem mit sich herumgeschleppt hatte, die in ihr gewuchert und seltsame Blüten getrieben hatten, brachen aus ihr heraus wie Lava und Feuer aus einem Vulkan.
Ihr Mann saß da und hielt ihre Wut aus. Er war sehr blass. Alle wussten, dass er kein Vergewaltiger, kein Arschloch, kein Frauenausnutzer war. Aber er war ein Mann. Er tat nichts, um sie zu beruhigen. Er blieb einfach nur sitzen und hielt ihrer Wut stand. Es war wirklich ein ganz besonderer Mann. Am Schluss stürzte sie, erschöpft, zitternd, weinend, schluchzend in seine Arme, und er hielt
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