Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
sie.
Sie hatte ein Stück ihrer Altlast abgeworfen. Ihr Männerhass wird nicht für immer fort sein. Und ihr Partner wird damit hundertprozentig noch manches Mal konfrontiert sein. Das ist bestimmt nicht angenehm für ihn. Aber er kennt ihre Geschichte, und er weiß, dass sie diese Altlast mitbringt, die auch ihn belastet, die er ihr aber nicht aufgebürdet hat. Er kann sie ihr auch nicht abnehmen. Und er wird die Stärke
besitzen, ihr eine Grenze zu setzen, wenn sie ihn aufgrund dieser alten Gefühle verletzt.
Wir bringen alle Altlasten mit. Nicht immer in diesem Ausmaß, aber dennoch. Es gibt keine Kindheit ohne Verletzung und negative Glaubenssätze, so förderlich die Eltern auch gewesen sein mochten. Und es ist gut, uns unserem Partner zu offenbaren, damit er sich entscheiden kann, ob er bereit ist, damit zu leben. Ohne diese Altlast sind wir nämlich nicht zu haben.
Es gibt Männer, die sagen: Also, weißt du, ich mag dich sehr gern, deine hübschen Beine, deine sanfte Stimme, deine sensiblen Geschenke und deinen Sex-Appeal, aber deine Missbrauchsgeschichte und all die Gefühle, die damit verbunden sind, das ist doch längst vorbei! Davon will ich nichts mehr hören, das finde ich zu belastend, und ich will auch auf gar keinen Fall, dass diese Gefühle irgendwie zu mir rüberschwappen! Es gibt Frauen, die sagen: Ach, du immer mit deiner Autoritätenproblematik! Dein dominanter Vater ist längst tot! Nun bring das endlich hinter dich!
So ein Partner muss von dir als Teil deines Lebens überprüft werden. Denn »diese Gefühle« werden zu ihm oder ihr »rüberschwappen«. Was natürlich kein Freibrief dafür sein soll, Respektlosigkeiten, Unverschämtheiten, Grobheiten und destruktive Verhaltensweisen mit »Altlasten« aus der Kindheit zu entschuldigen.
Von Interesse ist auch, wie sich die jeweiligen Altlasten der Partner überlappen oder ergänzen. Nicht selten zum Beispiel sucht sich eine Frau mit Missbrauchserfahrung durch den Vater oder eine andere Autoritätsperson einen Mann, der von seiner Mutter als Partnerersatz benutzt worden ist, dem Vater so früh entfremdet wurde und der keine sichere männliche Identität entwickeln konnte. Nicht dass Sie jetzt sagen: Aha, ein Softie. Oder: Ein Weichei also. Nein, Männer ohne sichere männliche Identität (viele Männer werden jetzt sagen: Meine Güte, was soll das in den heutigen Zeiten schon
sein?) sind überhaupt keine »Softies« oder »Weicheier«, sie haben nur nicht die Stärke, eine Frau in ihrem Frausein herauszufordern und so ihre Entwicklung anzuregen. Ebenso wie natürlich die sexuell tiefverletzte Frau einen Mann nicht in seiner Männlichkeit so herausfordert, dass er kraftvoller wird, freier, mutiger.
Es gibt viele psychologische Fachbücher, in denen die neurotischen Paar»kollisionen« beschrieben werden, d. h. wie sich welche Frau aufgrund ihrer Kindheitsaltlast mit welchem Mann aufgrund seiner Altlast paart und welche Paarkonflikte daraus erwachsen. Mich interessiert jetzt vor allem, wie Paare diese Altlasten abwerfen können.
Klar, das ganze Thema mit den Altlasten ist nicht gerade das Beispiel für: Wie bringe ich noch mehr Leichtigkeit in mein ohnehin schon federleichtes Leben? Aber es ist menschlich. Und es ist eine Überforderung, wenn von uns verlangt wird, wir sollten nicht mehr durch unsere Verletzungen, Schmerzen, Horrorerfahrungen aus früherer Zeit belastet sein.
Wenn die Beziehung durch die Altlasten aus der Kindheit ständig niedergedrückt, blockiert, eingeschränkt wird, dann sollte ein Therapeut zurate gezogen werden. Es gibt nämlich nicht wenige im Grunde sehr gute Beziehungen, die unter der Last der alten Schmerzen zerbrechen.
Wie können wir mit dem alten Ballast so umgehen, dass er unser Leben immer weniger bestimmt? Auch das geht nur Schritt für Schritt.
Schritt eins: Trainiere die Trennung zwischen damals und heute! Ja, ich weiß, das klappt nicht immer. Aber immer öfter. Die Gefühle von damals, die uns heute bei völlig unangemessenen Situationen überfallen: Ärger, Wut, Zorn, Gereiztheit, Genervtheit, belasten uns selbst und natürlich unsere Beziehung enorm.
Früher wurde in gestalttherapeutischen Gruppen trainiert, die Wut rauszulassen, zu schreien, zu toben. Das hat
sich inzwischen als eher wenig förderlich erwiesen. Wenn wir Wut empfinden und sie rauslassen, dann fühlen wir uns tatsächlich besser. Es schafft ein Gefühl von Lebendigkeit und Entlastung. Aber es besteht die Gefahr, dass sich ein
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