Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Reiz-Reaktions-Schema in unserem Gehirn tiefer und tiefer gräbt: Wir reagieren auf einen bestimmen Reiz mit Wut, wüten herum, und dann fühlen wir uns befreit. Das hilft wenig, um zu lernen, ein breites Reaktionspotential auf den Reiz zu entwickeln. Es hilft nicht, sich kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen und als Persönlichkeit zu wachsen.
    Nehmen wir Klaus. Er wurde in der Kindheit von seinem Vater grausam geprügelt, gedemütigt und in seiner Entwicklung behindert. Heute reagiert er auf jeden Autofahrer, der sich vordrängelt, ihm die Vorfahrt nimmt oder sich irgendwie »respektlos« benimmt, mit starker Wut. Auf diese Weise trainiert er seinen Körper jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit, Hormone, vor allem Adrenalin, auszuschütten. Adrenalin mobilisiert für Angriff und Kampf und wird nur sehr langsam abgebaut. Noch eine Stunde danach ist der Mensch erregt. Das Ereignis ist längst vorbei, aber Klaus trägt die Aggressivität in seine Arbeit hinein. Er klagt auch über wirklich scheußliche Streitigkeiten mit seinem Chef. (Die natürlich auch wieder Adrenalin aktivieren.) Ein Teufelskreis, der diesen Mann zu einer tickenden Zeitbombe macht. Vor allem für sich selbst, denn Adrenalin schwächt das Immunsystem und macht auf Dauer krank.
    Statt uns also von den negativen Gefühlen beherrschen zu lassen, ist es förderlicher, sie zu beherrschen. Mit beherrschen meine ich übrigens nicht, den Gefühlsausdruck unterdrücken. Es ist ein Unterschied, ob ich auf einen bestimmten Anlass nicht mehr wütend, sondern humorvoll oder gelassen und kopfschüttelnd oder mit Distanz reagiere, oder ob ich meine Wut runterschlucke, die Faust in der Tasche balle. Wut ist eines von vielen menschlichen Gefühlen, ich kann
mich auch für Wut entscheiden, warum nicht? Meine tanztherapeutische Trainerin Trudi Schoop, eine achtzigjährige zarte Frau von umwerfender Jugendlichkeit, sagte immer: Die Frage ist, ob du die Wut hast oder ob sie dich hat. Mach einen Tanz daraus!
    Wut kann ein starkes Gefühl sein, das uns mit Kraft und Entschiedenheit in eine Richtung gehen lässt. Wut bewirkt Zupacken, Angreifen, Aufstampfen, Drauflosmarschieren. Das ist ein wertvolles starkes Verhalten, auf Durchsetzung und Sieg orientiert. Aber es ist wichtig, dass du selbst entscheidest, ob diese Situation jeweils angemessen ist für einen so starken Auftritt.
    Es gilt also, sich nicht von Gefühlen beherrschen zu lassen. Das Ziel ist nicht, Gefühle zu unterdrücken, so viel sei noch einmal betont. Das Ziel ist, der heutigen Situation entsprechend angemessen zu fühlen und zu handeln, und so zu fühlen und zu handeln, dass es das eigene Glück und das Glück in der Beziehung stärkt.
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    Zeichne einen Tag lang deine negativen Gefühle auf! Hast du dich geärgert, warst du wütend, neidisch, eifersüchtig, hast du Rachegelüste empfunden – und in welchem Zusammenhang? Übrigens sind auch die kalten Gefühle wie Verachtung, Abscheu, Ekel »negative« Gefühle.
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    Mach dir klar, was die Auslöser sind! Gibt es Muster?
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    Entwickle eine Gegenstrategie für die Gefühle, die du nicht länger empfinden willst. Lass dir Zeit dabei. Nimm jedes Gefühl einzeln vor. Würdige jeden kleinen Erfolg bei der Umsetzung!
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    Forsche einmal in deiner näheren und ferneren Umgebung: Gibt es einen Menschen, der ganz anders auf dieselben Auslöser reagiert als du? Kannst du von ihm lernen? Wenn ja, was?
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    Welche Sehnsucht steht hinter dem »negativen« Gefühl wie Wut, Neid, Eifersucht, Ekel usw?
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    Auf welche Weise kannst du diese Sehnsucht erfüllender befriedigen?
    Klaus zum Beispiel hat die große Sehnsucht, anerkannt und respektiert zu werden. Eine sehr legitime und verständliche Sehnsucht. Und er tut gut daran, in seinem Leben für Beziehungen zu sorgen, in denen gegenseitige Anerkennung und Achtsamkeit ihren Platz haben. Es ist gesund für ihn, darauf seine Energie zu lenken. Im Straßenverkehr aber nervöses, rücksichtsloses Fahren anderer auf die alte Wunde der Ohnmacht zu richten ist ungesund und heilt nichts. Ebenso ungesund ist es, das cholerische und respektlose Verhalten des Chefs auf die alte Wunde zu richten, die durch den cholerischen und respektlosen Vater geschlagen wurde. In diesem Fall ist es natürlich noch viel schwieriger als im anonymen Straßenverkehr, aber auch hier ist es gesund, eine Trennung zu ziehen zwischen dem kleinen, verletzten Jungen damals und dem erwachsenen, kompetenten Mann.
    Sobald wir die Trennung