Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Philosophin, die mit einem Techniker verheiratet ist. Keine seltene Kombination. Seine Art, die Welt zu sehen und zu verstehen, unterscheidet sich stark von der ihren. Wenn sie das Bedürfnis hat, über die Welt, die Menschen und die Liebe zu philosophieren, wird er dieses Bedürfnis wahrscheinlich unbefriedigt lassen. Aber er befriedigt vielleicht so viele andere ihrer Bedürfnisse, dass es gute Gründe gibt, bei ihm zu bleiben. Welche Möglichkeiten hat sie also? Sie könnte einen philosophischen Zirkel besuchen. Sie könnte als Gasthörerin an die Uni gehen. Sie könnte mit Freundinnen oder Freunden philosophieren. Sie könnte regelmäßig an philosophischen Lesungen, Stammtischen, Gesprächen teilnehmen. Sie könnte es also akzeptieren, dass er ihr Bedürfnis nicht befriedigt.
Wenn sie sich hingegen sein Bemühen wünscht, sie zu verstehen und dass er ihre Sicht der Welt nicht als Unfug,
Scheißphilosophiererei, Quatsch abtut, kann niemand außer ihm dieses Bedürfnis befriedigen. Und er sollte sich damit auseinandersetzen, wenn ihm an der Beziehung liegt.
Wenn dein unbefriedigtes Bedürfnis an eine Partnerschaft gebunden ist, habt ihr ein ernst zu nehmendes Problem. Besonders wenn es sich um Sexualität handelt, ist es wichtig, kompromisslos ehrlich mit sich und dem Partner zu sein. Kannst du den Mangel an Befriedigung deines Bedürfnisses akzeptieren? Denn in den meisten Fällen zerstört es eine Beziehung, wenn sexuelle Bedürfnisse außerhalb der Beziehung befriedigt werden.
Nehmen wir, was oft zu Konflikten führt, die Häufigkeit des sexuellen Kontakts. Ich wünsche mir täglich Sex!, ist ein nicht selten von Männern geäußertes Bedürfnis. Manche Partnerin kann das nicht befriedigen und will es auch nicht. Ganz im Gegenteil blockiert es sie, so dass sie sich noch mehr zurückzieht, als es ohnehin ihrem Bedürfnis entspräche. Da ist die Frage wichtig: Was kann ich akzeptieren als nicht erfülltes Bedürfnis, und wo liegt meine Grenze? Es gibt Menschen, die werden unausstehlich, wenn sie zu lange sexuell unbefriedigt sind. Aber das Limit ist selten einmal täglich. Und es ist auch gut zu überprüfen, ob die Quantität der sexuellen Begegnung oben auf der Liste der dringlichen Bedürfnisse steht oder in Relation zu anderen Bedürfnissen eher unwichtiger ist.
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Welche deiner Bedürfnisse sind so elementar, dass du nicht darauf verzichten kannst? Erstell eine Liste mit mindestens fünf Antworten.
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Welche deiner Bedürfnisse sind in dieser Beziehung schmerzlich unbefriedigt, die dir vorher gar nicht so bewusst waren, weil dir ihre Befriedigung selbstverständlich war?
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Welche deiner Bedürfnisse haben sich erst während deiner jetzigen Beziehung entwickelt, weil du dich verändert hast,
weil du gewachsen bist, weil du heute andere Interessen, andere Wünsche hast? Gib bitte wieder mindestens fünf Antworten.
Mir fällt dazu eine Karikatur von Marie Marcks ein: Sie zeigt eine Frau mit fettigen Haaren, ungepflegtem Äußeren, heruntergerutschten Socken, hinter sich eine Menge Kinder wie Orgelpfeifen, die zu einer Freundin sagt: »Er hat gesagt, wir hätten uns auseinanderentwickelt.« Das ist natürlich bissig gegen männliche Verantwortungslosigkeit gerichtet. Es hat aber einen ernst zu nehmenden Hintergrund, der mir in der Praxis immer wieder begegnet. Paare kommen zusammen in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung. Dann passen sie zueinander, bestenfalls. Doch sie ändern sich. Einer von beiden weigert sich zu wachsen, bleibt stehen oder entwickelt sich in eine Richtung, in die der andere nicht mit will. Was dann?
Nehmen wir Susanne. Ihr Mann hatte sie verlassen, weil er sie angeblich nicht mehr liebte, stattdessen eine Mitarbeiterin. Sie sagte verzweifelt: Seit wir das Kind haben, ist unsere Ehe den Bach runtergegangen. Der vierjährige Sohn spürte offenbar auch, dass er der Stein des Anstoßes war, denn er kotete ständig ein.
Susanne war einerseits wütend auf ihren Mann Max, der sie im Stich ließ, ohne zum Beispiel mit ihr gemeinsam zur Paartherapie zu gehen, andererseits liebte sie ihn abgöttisch und wollte ihn unbedingt zurückhaben. Auf mein Nachfragen entstand folgendes Bild: Als sie sich kennenlernten, war sie mit einem zuverlässigen, aber etwas langweiligen Mann verheiratet gewesen. Max war damals ihr Kollege, und er bezauberte sie durch seine Leichtigkeit. Er war anregend, humorvoll, riss sie mit. Mit ihm fühlte sie sich leicht und unbeschwert. Also trennte sie sich
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