Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Not, in der sie sich allein und ohne Kontakt zu ihm fühlt. Wenn er wieder gesund ist, stürzt er sich in Arbeit, und sie bleibt ausgehungert zurück. Er begibt sich möglichst unauffällig wieder in den normalen Familienalltag, wo sie für ihn kocht, es schön macht und für ihn da ist, wenn er nach Hause kommt. Er nimmt all das als selbstverständlich hin.
Sie legt also eine Münze auf die Waagschale und sagt: Ich habe für dich eine leckere Suppe gekocht, ich habe die Geschenke für deine Eltern schön eingepackt.
Er zögert. Man sieht ihm an, dass all das nicht nach Geben für ihn aussieht. Gut. Ich bin zur Arbeit gegangen. Ich habe das Geld verdient.
Sie schüttelt energisch den Kopf, lacht spöttisch. Nein, das tust du für dich. Du gibst mir nichts mit deiner Arbeit. Im Gegenteil.
Er nimmt seine Münze auch wieder weg.
Dann gibst du mir auch nichts mit deiner Suppe. Es macht dir schließlich Spaß zu kochen.
Hat sie dir geschmeckt oder nicht?
Ja. Lebst du von dem Geld, das ich verdiene oder nicht?
Ja, aber ich kann meinen Lebensunterhalt auch allein verdienen.
Ich kann meine Suppe auch selbst kochen.
Wie häufig erlebe ich solche Gespräche. Ob ich etwas als Geben des andern wahrnehme und es von Herzen annehmen kann, hat etwas mit meinen Bedürfnissen zu tun. Geben heißt, ich gebe dir etwas, wovon du profitierst. Oder wovon ich glaube, dass du davon profitierst. Der Ausdruck »dir zuliebe« heißt übersetzt: Ich tu es für dich, weil ich dich liebe.
Das betrifft sehr viele Seiten unserer Beziehung, die mit Bedürfnissen zu tun haben. Selbst in der Sexualität ist es in einer stimmigen Partnerschaft so, dass ich nicht alles nur tue, weil ich selbst Lust dazu habe, sondern vieles tue ich »dir zuliebe«. Wer nur Geschenke macht, die ihm selbst gefallen, wird oft keine Freude bereiten. Im Schenken drückt sich aus, wie viel Einfühlung, Verstehenwollen, Aufmerksamkeit für den Partner ich bringe. Schenke ich ein Geschenk? Oder schenke ich es »dir zuliebe«?
Mein Partner hat keinen Sinn für Schmuck. Ich aber liebe Schmuck, und vor allem liebe ich es, Schmuck geschenkt zu
bekommen von dem Mann, der mich liebt, weil ich dann etwas von ihm an meinem Körper trage. »Mir zuliebe« ist er vor meinem letzten Geburtstag in einen Schmuckladen gegangen und hat mir eine Kette gekauft. Er hat das ausgesucht, was er sich an mir vorstellen konnte, was er an mir sehen wollte. Die Kette ist schön, am schönsten aber war für mich, dass er »mir zuliebe« über seinen Schatten gesprungen ist, einen Schmuckladen betreten und etwas getan hat, worin er sich nicht gut auskennt, wo er sich hilflos fühlt und zu mir hindenken und hinfühlen musste. Das war ein großes Geschenk für mich. Ich halte die Kette sehr in Ehren.
Nun kann man natürlich sagen: Warum so eine Übung mit Talern machen, wenn doch die Gefahr besteht, dass hinterher eine blöde Aufrechnerei dabei herauskommt? Es ist aber von einiger Wichtigkeit, sich manchen Erkenntnissen über die eigene Beziehung zu stellen, auch wenn es unangenehm ist.
Bei diesem Paar, Brigitte und Paul, wurde deutlich, dass beiden offenbar nicht klar ist, was sie einander jeweils geben können und auch was sie in dieser Beziehung vom anderen bekommen.
Brigitte beklagt sich zum Beispiel vehement, dass Paul nie für sie da ist, wenn es ihr schlecht geht. Er hingegen meint, für sie dazusein, wenn er sie vor Kindern und Haushaltsstress abschirmt. Also ein heilloses Kuddelmuddel.
Und es läuft wie bei vielen Paaren nach dem Prinzip ab: Er tut etwas »ihr zuliebe«, obwohl er anders handeln würde, wenn es nach seinem Bedürfnis ginge. Und sie äußert nicht, dass sie etwas ganz anderes wünscht, weil sie glaubt, dass sie in ihm dann etwas zerstört. »Ihm zuliebe« macht sie also mit. Welch Staunen füllt immer wieder meine Praxis, wenn beide endlich ehrlich über ihre Bedürfnisse sprechen!
Natürlich zeigt das kleine Experiment mit den Waagschalen keine unumstößliche Wahrheit, aber es macht anschaulich, wo ein Problem liegt. Der Abwertungsprozess:
Was du mir gibst, ist mir nichts wert, aber was ich dir gebe, würdigst du nicht, muss und kann gestoppt werden. In Partnerschaften ist es von großer Bedeutung, dass sich Geben und Nehmen in einem ständig ausbalancierenden Prozess befinden. Eine Waagschale, auf die etwas gelegt wird, ist in Bewegung. Erst wenn ein eindeutiges Ungleichgewicht besteht oder auch wenn ein Ausgleich erreicht ist und nichts mehr geschieht, eine
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