Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
eingefrorene Beziehung vorliegt, bleibt die Waage unbewegt. Eine lebendige Beziehung hingegen befindet sich in einem unablässigen lebendigen Austausch von Geben und Nehmen. Um einander aber wirklich »zuliebe« geben und nehmen zu können, müssen wir miteinander kommunizieren, denn ansonsten sind wir auf Erraten angewiesen, und das geht schief.
Ausgesprochen unausgesprochen –
ahnt er, was ich fühle?
Wer Telepathie nicht beherrscht, muss sprechen
Keine Liebe ohne Kommunikation. Wir kommunizieren jedoch nicht nur mit Worten, sondern durch unsere Körper, unsere Gestik, Mimik, durch Taten, durch Geschenke. Nicht umsonst heißt es: Lasst Blumen sprechen. Ob wir unserem Partner zu seinem Geburtstag ein einziges Geschenk machen, das wir jedem hätten schenken können, oder etwas, das nur für ihn gewählt oder selbst hergestellt wurde, drückt etwas aus über unsere Nähe. Ob wir geizig schenken, wenig Zeit, Mühe, Geld investieren, oder das Füllhorn über dem Geburtstagskind ausschütten, all das drückt etwas aus, enthält eine Botschaft an den andern. Und nicht selten korreliert die Freigiebigkeit oder der Geiz im Schenken damit, wie ich meinen Partner auch emotional nähre.
Worte dienen einer Klärung, einer Abstimmung, einem Kennenlernen der unterschiedlichen Erlebniswelten. Worte müssen gewechselt werden, um nicht in heillose Missverständnisse zu geraten. Dazu gehören die Formulierung eigener Bedürfnisse, das Austragen von Konflikten, die Offenbarung von Gefühlen und die Spiegelung des anderen, das Feedback.
Wir alle kennen die Situation: Im Café oder im Restaurant sitzt dieses Paar. Wir müssen sie immer wieder anschauen. Sie schweigen. Ihre Blicke irren umher in unterschiedliche Richtungen, und zumindest einer von beiden wirkt immer erstarrter, als müssten die Tränen oder die Wut oder ein verzweifelter Aufschrei unterdrückt werden. Sie haben einander
nichts mehr zu sagen, wird landläufig kommentiert. O doch, sie hätten einander sehr viel zu sagen! Sie könnten einander von der Leere im Kopf erzählen oder den sich überschlagenden Gedanken, von der Angst, den andern zu langweilen oder zu verletzen oder von der bedrängenden Langeweile im Leben, in der Beziehung. Aber sie tun es nicht. Sie halten sich voreinander bedeckt wie Boxer, die nicht ausgeknockt werden wollen. Sie ziehen ihrer Seele nicht die Socken aus, verhalten sich wie Geschäftsleute, die erst dann einander etwas mitteilen, wenn es »spruchreif« ist, oder wie Kriegsgegner, die strategisch vorrücken oder in Deckung gehen.
Jetzt soll bitte keiner sagen: Man muss auch miteinander schweigen können! Wer miteinander schweigen will, geht zusammen ins Kino, sieht gemeinsam fern, sitzt auf dem Sofa und liest, liegt nebeneinander auf der Wiese und blickt in die Wolken oder kuschelt sich im Bett aneinander. Der geht nicht zu zweit ins Restaurant oder Café. Partner, die in so ein beklemmendes Schweigen fallen, fürchten sich davor, Gedanken und Gefühle preiszugeben.
»Manchmal finde ich ihn so Scheiße, und dann hab ich Angst, dass das nicht wieder vorübergeht«, sagte meine Schwägerin einmal über meinen Bruder. Das war vor mehr als fünfundzwanzig Jahren. Vielleicht sind die beiden immer noch miteinander verheiratet, weil sie die manchmal sehr unbequeme Angewohnheit hat, ihre Gefühle ehrlich mitzuteilen. Und weil mein Bruder in der Lage ist, sich damit auseinanderzusetzen.
Ich habe nie erlebt, dass ein Paar sich getrennt hat, das über alles miteinander sprechen konnte. Wer im Gespräch bleibt, findet meistens zur Nähe zurück. Nicht selten kommen Paare zu mir, von denen einer sagt: Ich liebe dich nicht mehr. Doch wenn er oder sie dann mit seinen Gedanken und Gefühlen wirklich ernst genommen wird, sprechen darf über all die großen und kleinen Verletzungen und Enttäuschungen, über die unbefriedigten Bedürfnisse, die Ängste
und Sehnsüchte, wenn er dann wirklich ein offenes Ohr und Herz findet, kehrt oft die Liebe zurück. Außer es gibt schon einen anderen Menschen, an den die Sehnsucht sich neu gebunden hat. Doch selbst dann wiegen Vertrautheit, gemeinsame Erfahrungen und das ganze im Laufe der Zeit gewobene Lebensnetz oft schwerer.
Natürlich meine ich diese besonderen Gespräche. Diese Gespräche, die man nur führen kann, wenn man die Maske ablegt, ebenso wie die Rüstung. Diejenigen allerdings, die wie römische Legionäre gepanzert durchs Leben laufen, sind es nicht gewohnt, die Seele nackt zu zeigen, und finden
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