Istanbul: Ein historischer Stadtführer
erwerben wollte, fand im Basar, in der heutigen, von Teppichhändlern belegten Yorgancılar-Straße Dutzende von Läden. Evliyâ macht die interessante Bemerkung, dass es schon im 17. Jahrhundert zahlreiche ambulante Buchhändler gab, die ihre Ware am Boden ausbreiteten. Im
Bedesten
wurden Bücher auch zur Lektüre oder Abschrift gegen einige Silbermünzen verliehen. Nach dem Erdbeben von 1894 wurden den Buchhändlern der heute so genannte «Markt der Antiquare» (Sahhaflar Çarşısı) bei der Bâyezîd-Moschee angewiesen. Inzwischen habensich auch die meisten Antiquare aus der Altstadt zurückgezogen und einzelne Ladengeschäfte in Beyoğlu bezogen. Im Sahhaflar Çarşısı findet man heute überwiegend neuere Bücher und Unterrichtsmaterialien.
Abb. 31: Bibliotheksstempel des Mevlevî-hâne vor dem YeniKapı
Abb. 32: Bibliothek des Âtıf Efendi (1741/42) im Stadtteil Vefa
Vor dem Bau selbständiger Bibliotheksgebäude im 17., und dann verstärkt im 18. Jahrhundert waren alle größeren Büchersammlungen in Nebenräumen von Moscheen oder Medresen konzentriert. Taşköprü-Zâde, der Verfasser einer Art
Who’s Who
der Ulemâ und Derwischscheiche, schreibt über einen 1516 verstorbenen Gelehrten, der wohl eine der größten privaten Büchersammlungen der Zeit zusammengetragen hatte:
Außerdem hatte er allerlei seltene Bücher gesammelt, von denen seine Zeitgenossen z.T. nicht einmal gehört hatten, geschweige denn, dass sie jemals darin studiert hätten. Außer den Dubletten soll diese Bibliothek sich auf 7000 Bände belaufen haben.
Diese Zahl ist deshalb außergewöhnlich, weil man weiß, dass manche Bibliotheken von Großwesiren kaum 100 Bücher umfassten. Der Großadmiral Hayreddîn Barbarossa hinterließ nur bescheidene 20 Titel. Als der Scheichülislam Hâmid Efendi 1584 seine Bücher der Süleymaniye übergab, hielt er in einer arabischen Stiftungsurkunde fest:
Es soll nicht gestattet sein, dass jemand die Bücher bei sich behält. Jeder soll sie nutzen können. Niemand darf die Bücher länger als ein Jahr ausleihen. Es ist nicht gestattet, sie aus der Stadt zu bringen oder ohne Hinterlegung eines Pfandes auszuleihen.
Nach diesen recht «liberalen» Klauseln für alle Benutzer kommt das erwartete Professorenprivileg: «Allerdings unterliegt der
Müderris
(Professor) Abdullâh Çelebi nicht den genannten Bedingungen. Er ist ermächtigt, beliebig viele Bücher ohne Hinterlegung eines Pfandes auszuleihen.» Eine letzte Klausel dient dem Schutz der Bestände: «Bei der Anfertigung von Abschriften dürfen die Bücher nicht in Faszikel zerlegt werden.»
Bibliotheksinventuren
Ein Befehlsschreiben aus demselben Jahr 1584 verschafft uns einen Einblick in den Alltag einer großen Bibliothek. Der Inspekteur derFâtih-Stiftung wandte sich an den Sultan, um auf einen Missstand hinzuweisen:
Abb. 33: Benutzerordnung der Âtıf Efendi-Bibliothek (Inschrift von 1741/42)
An den Professor an einer der Acht Medresen (des Fatih-Komplexes) Osmân Efendi und den Inspekteur der Sultan Mehmed(-Stiftung): Du, der du Inspekteur bist, hast einen Brief geschickt (und berichtet, dass) nach dem Stiftungsregister 1800 gestiftete Bücher existieren, diese aber seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gezählt wurden. Weil du gebeten hast, entsprechend dem Register an Ort und Stelle eine Inventur vorzunehmen, habe ich angeordnet, dass Mehmed Çavuş von meiner Hohen Pforte hingeht, die in Frage kommenden Bücher mit dem Register vergleicht, und die Bücher vor dem Verlust und Verschwinden bewahrt …
Offensichtlich war der Stiftungsverwalter auf die Unterstützung eines hohen Amtsträgers angewiesen, um den Professor zu dieser Inventur zu zwingen. Allzu einschneidend waren die Verluste zumindest an der Fâtih-Bibliothek nicht. Als 1742 der gesamte Bestand aus der Moschee in das neue Bibliotheksgebäude, eine Stiftung Mahmûds I., verlagert wurde, stellte man eine Abweichung von 110 Büchern in drei Jahrhunderten fest. Es gibt eine Anzahl von Urkunden, die beweisen, dass auch in späteren Jahrhunderten Bücherzählungen angemahnt wurden. Bei den Inventuren kamen einige bedauerliche Betrügereien auf. Wertvolle Handschriften wurden gegen billigere gleichen Inhalts vertauscht. Die Richtlinien sahen deshalb schon früh die Erfassung von Blatt- oder Seitenzahlen vor!
Die Bibliotheken des Serails
Seit Mehmed II. dienten verschiedene Räume des Serails als Bücherdepots. Von Anfang an wurden wertvolle Manuskripte in einem Raum der Inneren
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