Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Passanten.
Wasserträger
Trotz der vielen Brunnen mussten zu allen Zeiten Wasserträger die Versorgung ergänzen. Die
Sakâ
genannten Männer transportierten Brunnenwasser mit Tragtieren oder auf dem Rücken. Die Wassersäcke waren Schläuche aus Ziegen- oder Ochsenleder. Sie fassten 40 bis 50 Liter. Das Janitscharenkorps hatte eigene Wasserträger, die nicht nur das Heer, sondern auch die Pilgerkarawane nach Mekka begleiteten. Die «zivilen» Wasserträgerversorgten die städtische Bevölkerung in ihren Wohnungen oder auf der Straße. Evliyâ gibt ihre Zahl mit 9400 an, von denen 1400 Pferde hatten. Der Patron der Träger war Abu’l-Kavsar Şâd al-Kurdî, der bei Ausübung seines Berufs in der Schlacht von Kerbela den Tod fand. Die Kleidung der Zunft war an die Uniform ihrer militärischen Kollegen angelehnt.
Diese Zunft geht zu Fuß. Auf dem Rücken tragen sie Wassersäcke aus feinem Leder, ihre Kleidung besteht aus einem schwarzen, rohledernen
Dolman
(Kurzmantel), auf dem Kopf haben sie einen Federschmuck und vielfarbige Blüten.
Sie bieten ihre mit Edelsteinen besetzten Wasserschalen den Passanten an, wobei sie ausrufen: «Wasserträger, Wasserspende, Gnade über den, der die Wasserspende trinkt.» Einige rufen: «Wasser zu Liebe des Wassers von Hasan und Hüseyin.» Andere rezitieren bekannte Stellen des Korans: «Und ihr Herr gibt ihnen reines Getränk zu trinken» (LXXVI, 21); «Wir haben dir (Muhammad) die Fülle gegeben!» (CVIII); «Wir haben alles, was lebendig ist, aus Wasser gemacht» (XXI, 30).
Die letzte koranische Wortgruppe findet sich – erwartungsgemäß – auch auf vielen Brunnen als Inschrift.
IV.
Die Landmauern und Yedikule
Mehmed II. beeilte sich nach Einnahme der Stadt, die Wiederherstellung der Mauern anzuordnen, in welche die türkischen Belagerer große Breschen geschossen hatten. Danach kehrte er vorübergehend nach Edirne zurück, wo ihm ein eben vollendeter bequemer Palast zur Verfügung stand. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1454 richtete er sich bis zur Fertigstellung seines Serails beim Goldenen Tor ein, das er unverzüglich zur «Siebentürmigen Festung» Yedikule ausbauen ließ.
Die Verteidigung des neuen Machtzentrums muss im Zusammenhang mit den unter Mehmed II. im Marmara-Raum angelegten Festungen gesehen werden. Am südlichen Eingang zu den Dardanellen hatte er die gegenüberliegenden Burgen Kal‘e-i Sultânîye («Sultanische Festung», ab dem 18. Jahrhundert Çanakkale genannt) und Kilidülbahir («Schlüssel desMeeres», auf der europäischen Seite) bauen lassen. Wie wichtig dieser strategische Punkt für Fâtih war, kommt im 1464 erfolgten Guss einer 18,6 Tonnen-Kanone zum Ausdruck. Das Riesengeschütz war ein Geschenk von Sultan Abdülazîz an England. Nach langen Jahren vor dem Londoner Tower steht es heute im Militärmuseum von Leeds. Den nördlichen Ausgang des Bosporus bewachte ein älteres Festungspaar. Die von den Türken Kavaklar («Pappeln») genannten Anlagen auf europäischer (Rumeli Kavağı) und anatolischer (Anadolu Kavağı) Seite stammen aus byzantinischer bzw. genuesischer Zeit und spielten erst ab dem 17. Jahrhundert eine Rolle, als die Bedrohung durch Russland (erste Vorstöße von Kosaken wurden 1624 gemeldet) offensichtlich wurde.
Abb. 4: Abschnitt der Landmauern mit Yedikule vor jüngeren Wiederherstellungen
Plan 4: Die Festung Yedikule
Zum Zeitpunkt der Einnahme Istanbuls waren jedenfalls die Gegner der Osmanen, mit Ausnahme der christlichen Seemächte des Mittelmeers, in weite Ferne gerückt. Der Ausbau bzw. die Verstärkung von Festungen im fernen Anatolien (zum Beispiel in Kayseri 1465/66) oder Albanien (Elbasan ebenfalls 1466) spricht dafür.
Yedikule
Die Istanbuler Land- und Seemauern wurden in osmanischer Zeit auch nach Mehmed II. häufig renoviert, auch wenn sie nie wieder verteidigt werden mussten. Als stärkste Bedrohung wurde im Jahr 1656 die Annäherung der venezianischen Flotte bis zum äußeren Dardanelleneinganggesehen. Damals wurde der Abriss der Häuser angeordnet, die auf den Seemauern der Marmara-Seite entstanden waren. Erdbeben (1509, 1690, 1709, 1766, 1855 und 1894) beschädigten die Mauer schwer. Hinzu kamen Beeinträchtigungen durch Steinraub und den Bahnbau im 19. Jahrhundert (1870–1873). In den 1980er Jahren wurde einer der am stärksten beschädigten Abschnitte links und rechts des Belgrad-Tors ausgebessert, leider nicht sehr sachgerecht. Heute wird an zahlreichen Abschnitten, z.T. mit größerer Sorgfalt,
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