Istanbul: Ein historischer Stadtführer
«mit den edelsten Gewändern bekleidete, sich in seine Schmucksachen vergrub und den Liebling zum Pfeifenwärter (
çubukdâr
, was man auch mit «Halter der Stange» übersetzen könnte) ernannte.»
Brunnen
Die für Besucher auffälligsten Brunnen sind die großen, freistehenden «Fontänen» (um Hammer-Purgstalls Lieblingswort zu gebrauchen), ausnahmslos Stiftungsbauten des 18. Jahrhunderts. Die Bauten von Sultan Ahmed III. vor dem Eingang zum ersten Serail-Hof, von Mahmûd I. in Tophane neben der Moschee von Kılıç Alî und einige Beispiele am Bosporus (Küçüksu) gehören zu den berühmtesten Vertretern osmanischer Platzbrunnen. Der Brunnen Ahmed III. besteht, genau betrachtet, aus einem Gebäude mit Sebils an allen vier Ecken. Er unterscheidet sich von anderen Brunnenhäusern durch das geschweifte Dach mit fünf Kuppellaternen und seine in Monumentalschrift ausgeführte, weithin lesbare Aufforderung:
Öffne (den Wasserhahn), trinke das Wasser unter (Aussprechen der)
Basmala
(d.h. «Im Namen Gottes …»)
(Und) Sprich ein Gebet für Sultan Ahmed Hân!
Die große Kartusche mit diesen Worten ist eine kalligraphische Arbeit des Sultans selbst. Die übrigen Verse wurden, wie häufig bei osmanischen Bauvorhaben, unter den Dichtern der Zeit «ausgeschrieben», d.h., die Autoren wurden aufgefordert, Texte einzureichen. Den oder die Gewinner erwartete eine hohe Belohnung. Während beim Brunnen Sultan Ahmed III. der berühmte Seyyid Vehbî (1674?–1736) den Zuschlag erhielt (angeblich hat er den Vers des Sultans geringfügig verbessert), schmücken die Wände des Tophane-Brunnens die Erzeugnisse von drei Autoren.
Für die Wasserversorgung der Wohnquartiere spielten freilich diese prachtvollen Sebils eine geringere Rolle als die schlichten Wandbrunnen. Die Mehrheit der Brunnen, und das macht ihre Besonderheit aus, trägt Inschriften, die für die Heimatkunde einer Weltstadt von größtem Wert sind. Als sich in den 1930er Jahren ein kleiner Beamter namens İbrahim Hilmî Bey (Tanışık, 1862–1937) entschloss, die verbliebenen Brunnen Istanbuls zu inventarisieren, war schon ein großer Teil von ihnen trocken gefallen. Am Ende erfasste er 727 Stück, von denen noch 376 funktionierten. Man kann sich denken, dass Hunderte, wenn nicht Tausende von Brunnen nicht mehr auffindbar sind. Der größte Anteil der bestehenden Brunnen stammt aus den letzten drei Jahrhunderten. Aus den Jahrzehnten zwischen der Eroberung der Stadt (1453) und der Thronbesteigung Süleymâns (1520) hat sich nur eine Handvoll erhalten. Selbst aus derbaufreudigen Zeit Ahmeds III. sind längst nicht alle der über 200 gestifteten Brunnen lokalisierbar, 76 kennt man nur aus den Gedichtsammlungen.
Abb. 3: Wandbrunnen im Stadtteil Cankurtaran
Um eine Vorstellung vom Inhalt einer Inschrift zu geben, sei der Text auf dem Brunnen des Ahmed Ağa übersetzt, der sich in Üsküdar vor der İnadiye-Moschee befindet. Zur Ehre der Istanbuler Stadtverwaltungen seigesagt, dass seit Mitte der 1980er Jahre viele verfallene Brunnen restauriert wurden. Das gilt auch für das hier eher willkürlich gewählte Beispiel. Der Stifter war ein hoher Amtsträger, der seine Karriere als Zolleinnehmer begann, es zum Generalgouverneur von Erzurum brachte und am Ende Intendant des Istanbuler Arsenals war. Die Inschrift aus fünf Doppelzeilen in Kartuschen stammt von einem nicht genannten Dichter und lautet:
Ahmed Ağa, Sohn des Emin, die Quelle der Freigebigkeit und der Großzügigkeit
Errichtete diesen neuen Brunnen, gleichsam einen leuchtenden Quell.
Es wurde ein Werk, das in dem Wohnquartier seinen Zweck erfüllt,
Dessen Bevölkerung der wasserlose Zustand viel Ungemach bereitete.
Als sie aus diesem bekömmlichen Wasser Nutzen zogen,
Gedachten alle Männer und Frauen mit Segenswünschen (des Stifters).
Ich trank das Geschenk des angenehmen Wassers, das sich auf meine Gesundheit auswirkte.
So dass ich (der Dichter!) die Nennung des Jahres (d.h. ein Chronogramm) in diesen schmückenden Zeilen verfassen konnte:
Ich habe das Wasserrohr gesehen, mit einem Ausruf nannte er das Chronogramm:
«Nimm um der Liebe Hüseyins und Hasans willen das reine Nass.»
1134 H. (1722/23 D.)
Immer wieder stellen die Inschriften der Brunnen die Verbindung zum Leiden Hüseyins in der Schlacht von Kerbela (680) her, in der der Enkel des Propheten Muhammad getötet wurde und seine Anhänger fast verdursteten. Der Stifter eines Brunnens versichert sich der Fürbitten aller Anwohner und
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