Istanbul: Ein historischer Stadtführer
restauriert.
Nach Yedikule finden, trotz seiner leichten Erreichbarkeit mit Vorortbahn oder Bus, nur wenige Besucher. Tatsächlich gibt es innerhalb der Mauern und Türme nicht allzuviel zu «besichtigen». Von der Moschee aus der Zeit des Eroberers ist nur ein Minarett übriggeblieben. Die schwer lesbaren Inschriften (mit Ausnahme der eines venezianischen Adeligen von 1600 an der Treppe, die links nach dem Eingang auf die Mauern führt) früherer Gefangener bilden keine große Attraktion. Allerdings lohnt der Blick von dem sogenannten Turm Ahmed III., der unter Osmân III. in den 1750er Jahren fertiggestellt wurde. Man kann einen Teil der Landmauern verfolgen, sieht die Freifläche bei der Moschee von Kazlıçeşme (heute ein vor dem Opferfest als Viehmarkt genutzter Platz), die beiden großen Krankenhausanlagen der Armenier (Surp Pırgıç beim Bahnhaltepunkt Kazlıçeşme) und Griechen (diese mit zahlreichen Pavillons). Die Gärtnereien
intra muros
erinnern daran, dass in den vergangenen Jahrhunderten große Teile der Stadt von Gemüse- und Obstanbau bestimmt waren.
Land- und Seemauern nahmen bei den Erdbeben der Jahre 1690 und 1719 beträchtlichen Schaden. Als sich Sultan Ahmed III. an die Wiederherstellung machte, ließ er über den Stadttoren Gedenkinschriften anbringen. Die Inschrift über dem Tor von Yedikule stammt von dem prominenten Dichter Seyyid Vehbî (gest. 1737), der auch den «Preis» für den Brunnen Ahmeds III. gewonnen hatte. Man erfährt, dass der Sultan seinen Wesir und Schwiegersohn mit dieser Aufgabe betraute, das Erdbeben selbst wird nicht erwähnt.
Die mächtige unter Mehmed II. ausgebaute Festung der Sieben Türme «verrät bereits Bekanntschaft mit regelmäßig-geometrisch geplanten westlichen Befestigungen der Renaissance». In einer ihrer Türme wurde zeitweise der Staatsschatz gelagert, wenn die Tresore im Bâb-ı Hümâyûn, dem ersten Tor des Topkapı Sarayı, überquollen. Auch die von Selîm I. bei der Eroberung des iranischen Täbris (1514) gemachte Beute wurde hier deponiert. Bekannt wurde Yedikule vor allem aber als Kerkerfür osmanische Würdenträger und ausländische Gesandte. Daneben dienten auch die Bosporusfestung Rumeli Hisar und der Galataturm vorübergehend als Gefängnis für prominente Insassen.
Dass sich darunter auch Gesandte kriegführender Mächte befanden, mag moderne Besucher verwundern. Da die osmanische Seite bis in das späte 18. Jahrhundert nur unilaterale diplomatische Beziehungen pflegte (das heißt keine ständigen Gesandtschaften in Wien, Paris und anderswo unterhielt), riskierte sie keine Vergeltung, wenn die Vertreter Venedigs oder des Kaisers hinter Gitter kamen. Berühmte osmanische Hinrichtungsopfer in Yedikule waren der Großwesir von Mehmed II., Mahmûd Pascha (1474), und Ferhâd Pascha, der kurz nach dem Thronantritt Mehmeds III. erdrosselt wurde (1595).
Der junge Osmân
Der bekannteste, in alle türkischen Schulbücher eingegangene Vorfall in Yedikule ist allerdings die Absetzung und Ermordung des neunzehnjährigen Sultans Osmân II. Sie gehört zu den scheußlichsten Szenen des unruhigen 17. Jahrhunderts. In das kollektive Gedächtnis haben sich die Ereignisse zwischen dem 20. und 22. Mai 1623 als
die
osmanische Tragödie (
Hâile-i osmanîye
), ja als das osmanische Kerbelâ eingeprägt. Unter Führung des Großwesirs Kara Dâvûd Pascha und unter Mitwirkung von Mâh-Peyker, der Mutter des abgesetzten Sultans Mustafâ I., wurde der junge (
Genç
) Osmân gestürzt. Osmân hatte sich nicht nur bei vielen Ulemâ und Höflingen unbeliebt gemacht, auch große Teile des Heers hatten ihm ihr Vertrauen entzogen. Die Aufständischen brachten Osmân zunächst durch die johlende Menge in die Orta Camii. Bei der Moschee wurde Osmâns Onkel, der geistesschwache neue und alte Sultan Mustafâ I., der Menge gezeigt. Nachdem man Mustafâ anschließend im Serail in aller Form wieder auf den Thron gesetzt hatte, kehrte Dâvûd Pascha mit seinen Leuten in die Orta Camii zurück, um Genç Osmân nach Yedikule zu bringen. Der Historiker Naîmâ fasste die Ereignisse zusammen, die in der Ermordung im südlichen Marmorpylon von Yedikule gipfelten (der Wärter zeigt noch heute die angebliche Stelle des Martyriums).
Nachdem sie den (neuen und alten) Padischah (Mustafâ I.) ins Serail gebracht hatten, kamen (der Großwesir) Dâvûd Pascha und der Janitscharenaga Dervîş Ağa zur Orta Camii. Sie luden Sultan Osmân Hân auf einen Lastkarren (
pazararabası
) …
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