Istanbul: Ein historischer Stadtführer
nicht abgeschlossen. Am Ende antwortete Pîrî Çavuş, ein alterfahrener Höfling (der Na‘îmâ zufolge weder lesen noch schreiben konnte, aber ein kluger Politiker war), man hätte gerne die Präsente bei schönem Wetter einer großen Menschenmenge vorgeführt, jedoch:
Der eigentliche Grund unseres Drängens ist der, dass bei uns das Wort unseres Padischahs ungeteilt ist. Was immer er anordnet, wird von uns ausgeführt. Irgendeine Änderung kommt nicht in Frage. Wenn Ihr Euch nicht nach seinen Befehlen richtet, dann wird, Gott behüte, der Großwesir seinen Kopf geben müssen.
Czernin musste sich, wie alle Botschafter vor ihm, von Kapıcıbaşıs geführt vor dem Sultansthron beugen und den Gewandsaum des Herrschers küssen, wie es bis ins 18. Jahrhundert hinein fester Bestandteil des Hofzeremoniells war. Mit großer Genugtuung notierte der Chronist, dass Czernin nur zitternd, «wie vom Blitz getroffen», die ärgerlichen und rasch hingeworfenen Fragen von Sultan İbrâhîm beantwortete und sich später beschwerte, Sultan Ahmed sei seinerzeit viel weniger ruppig mit ihm umgegangen. Na‘îmâ äußerte sich noch zu einem Detail, bevor er, fast nebenbei, auf den politischen Inhalt der Gesandtschaft zu sprechen kommt.
Dabei fiel der 4000 Gulden teure Diamantring an seiner Hand in Anwesenheit des Padischahs zu Boden. Angesichts der großartigen Versammlung mit dem Padischah und auf Grund seiner eigenen Verwirrung merkte er gar nicht, dass sein Ring zu Boden gefallen war und verließ den Raum.
Der für Czernin entwürdigende Empfang beim Sultan hat sich, obwohl Na‘îmâ das nicht ausdrücklich hervorhebt, sicher im Arz Odası, dem Audienzsaal abgespielt, der sich hinter dem dritten Tor befindet und die Sicht in diesen inneren (
Enderûn
) Bereich versperrt.
Die Schatzkammer:
Ein goldener Dolch und ein riesiger Diamant
Im Enderun befindet sich auch die auf drei Säle verteilte Schatzkammer hinter dem auffälligen «Ionischen Säulengang». Besucher, die den Film «Topkapi» aus dem Jahr 1964 gesehen haben, finden hier den Hauptdarsteller, einen von Mahmûd I. für den Afghanen Nâdir Schah in Auftrag gegebenen Dolch mit Scheide. Die Osmanen hatten ihn im Jahr 1747 mit zahlreichenanderen Kleinodien und «neunzig turkmenischen Pferden» an den Eroberer Indiens und Usurpator des persischen Throns gesandt, um Schwierigkeiten an ihrer Ostgrenze zu vermeiden. Da Nâdir fast gleichzeitig mit dem Eintreffen der osmanischen Gesandtschaft in Iran ermordet wurde, konnte man sich die Übergabe der Geschenke ersparen. Der Reichsgeschichtsschreiber İzzî hat eine Liste mit 69 Posten zusammengestellt, von denen einige den mit 20.000 Piastern taxierten Dolch übertreffen. Da nur der «Topkapı-Dolch» noch identifizierbar ist, sei hier İzzîs Beschreibung eingeschoben:
Ein goldener Dolch, dessen Knopf eine Uhr in smaragdener Fassung bildet, auf dem Griff drei große Smaragde, dann 12 große, 124 kleine Diamanten, an der Spitze ein durchlöcherter Smaragd, die Fassung der Steine in Gold genetzt, der Grund graviert und mit Schmelz ausgelegt, der Griff nach Art der Dolche Sultan Selîms (I.) in einem Beutel von Goldstoff, mit goldener Kette, mit Diamanten, Rubinen und Perlen besetzt; im Werte von 20.000 Piaster.
Im selben Raum ist hinter Panzerglas der perlenförmige Edelstein verwahrt, der als «Löffelmacher-Diamant»
(Kaşıkşı)
in die Literatur eingegangen ist. Der Riesenklunker wurde, vielleicht unter Mahmûd II., mit 49 Brillanten umgeben. Es gibt verschiedene Herkunftsmythen. Die bekannteste bringt ihn mit einem französischen Offizier in Verbindung, der ihn angeblich in Indien für Napoleon erwarb. Eine in sich stimmigere Version bietet der Historiker und Finanzbeamte («Defterdâr») Sarı Mehmed Pascha, ein Zeitgenosse, wenn er von einem Vorfall im Jahr 1679–80 berichtet:
In einem Abfallhaufen im Stadtteil Eğri Kapı (an der Landmauer) von Istanbul wurde ein rundlicher Stein gefunden, den ein Löffelmacher gegen drei Löffel von einem Straßenhändler eintauschte und dann unter seinem Gerümpel liegen ließ. Daraufhin erwarb ihn ein Juwelier um zehn
Akçe
von dem Löffelmacher und zeigte ihn jemandem aus seiner Zunft. Als nun offensichtlich war, dass es ein Diamant war, verlangte dieser (Kollege) einen Anteil (an dem Diamanten) und es kam zu einem Streit. Die Angelegenheit gelangte zu Ohren des Obermeisters der Juweliere. Der gab den (beiden) Juwelieren jeweils einen Beutel Geld (500
Kuruş)
und nahm ihnen den
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