Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Kızıltaş (bzw. Kıztaş) in Istanbul und dem alten Serail.
Sinâns Werkverzeichnis befasst sich mit der Versetzung der zuletzt genannten Säule, von der wir nur wissen, dass es sich um eine antike Ehrensäule unweit des Bauplatzes gehandelt haben muss. Obwohl seit der Antike Berichte über das Aufstellen von Säulen und Obelisken bekannt sind, dürften wenige Texte das
Niederlegen
eines solchen Monuments beschrieben haben. Auch wenn nicht alle technischen Einzelheiten deutlich werden, spürt man die Freude an der gelungenen Operation:
Kurz und gut, auf Grund des erhabenen Befehls des weltbeherrschenden Padischahs schnitten wir Langhölzer aus großen Schiffsmasten und konstruierten ein massives, mehrstöckiges Gerüst. Wir legten an einer Stelle große Schiffstaue von Leichtern bereit und führten sie durch Ringe, durch die (sonst) Ankerketten laufen. Ich (d. i. Mimâr Sinân) legte um den Rumpf der betreffenden Säule an Ort und Stelle ein massives Korsett aus Schiffsmasten von oben bis unten. An zwei Stellen befestigte ich die mannsdicken Schiffstaue mit eisernen Ringen. An mehreren Stellen ließ ich starke Schiffswinden und riesige Flaschenzüge, gleich dem Himmelsrad, anbringen. Einige tausend Acemî Oğlanlar (Rekruten des Janitscharenkorps) gingen an diese Flaschenzüge, während einige tausend fränkische Kriegsgefangene wie die Salomon dienenden Geister aus einem Mund riefen «Seil, zieht!». An das genannte Tau wurde ein weiterer verstärkter Pfosten angebracht. Mit Allah-Allah-Rufen, und in Anwesenheit des Padischahs, brach er mit Leichtigkeit wie die Himmelsachse (?). Von den Ringen sprangen Feuer wie Blitze. Jenes große Tau (mit dem gegengehalten wurde?) hielt nicht weiter stand und zersprang wie eine Kanone, und sie (die Säule) wurde einige Stockwerke (tiefer) geworfen, so wie die Wolle von dem Bogen des Baumwollschlägers geschleudert wird. Kurz und gut, sie wurde an die vorbereiteten Taue gebunden und in Anwesenheit des Padischahs mit Leichtigkeit heruntergelassen. Man schlachtete Opfertiere und teilte sie den Armen aus. Dann luden sie die Geister im Dienste Salomons (also die christlichen Gefangenen) auf einen Schlitten und brachten sie zur gesegneten Baustelle. Auf Befehl des Schahs wurden sie auf das richtige Maß gebracht und mit den anderen Säulen zusammengestellt. Und eine weitere Säule wurde aus Alexandria mit einem Transportschiff gebracht, eine wurde von Baalbek ans Meeresufer geschafft und von dort aus mit einem Leichter gebracht, und eine befand sich schon bereit im kaiserlichen Serail.
Neben der Moschee Süleymâns gehören weitere Sinân-Bauten wie der des Prinzen (Şehzâde Camii), die beiden Moscheen des Sokullu Mehmed Pascha und die Moscheen von Süleymâns Tochter Mihrimâh und ihres Gatten Rüstem Pascha zum «Pflichtprogramm» eines Istanbul-Aufenthalts.
Die Laus des Glücks
Rüstem Paschas Moschee ist wegen ihrer überreichen Fayenceausstattung eines der bekanntesten Kunstwerke aus hochosmanischer Zeit. Ayvânsarâyîs Kapitel enthält jedoch kein Wort zum Fliesenschmuck und beginnt mit der Beschreibung der ungewöhnlichen Lage der kleinen Moschee.
Eigentlich wurde dieses Grundstück von der Moschee des Wohltäters Hacı Halîl Ağa eingenommen. Später wurde diese Obergeschoss-Moschee an ihrer Stelle gebaut. Unterhalb befinden sich ein Lagerraum und andere Immobilien, die Miete abwerfen. Ihr Erbauer war Großwesir und Schwiegersohn des Padischahs. Der schon genannte (Rüstem Pascha) hat noch weitere fromme Werke gestiftet, wie zum Beispiel die große Medrese beim Serail des Cağaloğlu … Er wurde in einem selbständigen Grabbau in der Umgebung der Şehzâde-Moschee bei seinem (nicht mehr bestehenden) Brunnen (
sebîl
) beigesetzt. Auf seinen Tod wurde der folgende Zweizeiler verfasst: «Möge der Garten Eden seine Wohnstatt im Paradies bilden! 968 H. (1561).» Es gibt kein (nach der Moschee heißendes) Quartier.
Der erwähnte Wesir war von Haus aus Kroate. Er trat in das großherrliche Serail ein. Weil er im Zeitalter Süleymân Hâns Wesir und Statthalter der Provinz Diyarbekir wurde und die Gunst des Großherrn erlangte, verleumdeten ihn böswillige Leute. Sie verbreiteten: «Er leidet an Lepra.» Als man Hofärzte konsultierte, gaben sie die Auskunft: «Personen, die an dieser Krankheit leiden, haben keine einzige Laus.» Daraufhin wurde Mehmed Halîfe, einer der Hofärzte, mit einer Untersuchung beauftragt. Heimlich stellte er nach einer gründlichen
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