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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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hat über die opulente Verwendung von Topoi hinaus eine Anzahl «offener» und «verborgener» Gründe für das katastrophale Feuer von 1782 zusammengestellt. Dieser Stadtbrand ist nach unserem Autor, der später selbst als «Bürgermeister» (
şehremîni
) die Verantwortung für Istanbul übernehmen sollte, auf zwei Gruppen von Ursachen zurückzuführen:
    Offene Gründe, d.h. von jedermann nachvollziehbare Ursachen, waren der ausbleibende Regen, was die besondere Trockenheit des Holzes verursachte. Die Unlust der Feuerleute, deren Lohnforderungen zu hoch waren. Schließlich: Die Unterstützung des lang anhaltenden Windes.
    Nach der Aufzählung dieser Motive kommt er zu «verborgenen Ursachen», die miteinander wenig zu tun haben, aber auch für sich betrachtet, dem skeptischen Leser nicht mehr unmittelbar einleuchten. Mustafâ Efendi nennt drei Gründe:
    (1) Die Zuwanderung aus den osmanischen Provinzen (wir würden heute von Landflucht oder Binnenmigration reden) nach Istanbul. Die von lokalen Machthabern aus ihrer Heimat vertriebenen Flüchtlinge rächten sich (durch das Legen von Feuern?) an den hartherzigen Bewohnern der Stadt Istanbul.
    (2) Gott strafte den Kleiderluxus, mit dem sich Männer und Frauen schmückten. Die hohen Wohnbauten der Reichen bildeten eine weitere Herausforderung.
    (3) Der dritte von Mustafâ Efendi angegebene «verborgene Grund» ist der Zorn Gottes auf die Sternenkundler. Diese verachtenswertesten aller Menschen hätten bekannte Vorboten wie die Gelbfärbung der Sonne oder das Rötlichwerden des Mondes übersehen und konnten selbst den Merkur nicht von der Venus unterscheiden.
    Mustafâ Efendi deutet also an, dass Spannungen zwischen ansässigen Bewohnern und Neuankömmlingen und Kleiderprotz und Übertreibungen beim Hausbau Gottes Zorn auslösen – was nicht weiter überrascht. Besonders interessant ist Punkt 3. Gott zürnt nicht allein über die hartherzigen Istanbuler und den Luxus der
happy few
, die «Sternenkundler» werden für das Brandunglück mitverantwortlich gemacht. Die islamische Welt sah zwar durchaus einen Unterschied zwischen Astrologie und Astronomie, doch war der bei einer Moschee angestellte
Müneccim
sowohl Astrologe als auch Astronom, und es scheint, dass unter Sultan Abdülhamîd I., dem der Autor treu diente, die Sternenkundler, aus welchen Gründen auch immer, einen schlechten Stand hatten.

XI.
Christen und Juden
    Die heutigen Touristen der Stadt beschränken ihr Besichtigungsprogramm in der Regel auf Kirchen, die wie die Große und die Kleine Hagia Sophia oder die Chora-Kirche längst in Museen umgewandelt sind bzw. als islamische Gebetshäuser dienen. Die noch funktionierenden Hauptkirchen der christlichen Gemeinden sind jedoch ebenfalls gut erreichbar und bilden Zeugnisse des Mit- und Nebeneinanderlebens der Glaubensgemeinschaften in osmanischer Zeit. Das gilt in erster Linie für die Kirche des griechischen Patriarchats in Fener, die der Armenier in Kumkapı und die katholische Antonius-Kirche in Beyoğlu. Die wichtigste Synagoge ist die heute unweit des Galata-Turms gelegene Neve Şalom Sinagogu. Im Stadtteil Balat befindet sich die Ahrida, eine der ältesten Synagogen der Stadt, die nach der jüdischen Gemeinde aus Ochrid (Mazedonien) heißt. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Aufnahme iberischer Juden im Osmanischen Reich (1492) wurde sie gründlich restauriert.
    Drei oder vier Menschenalter nach der Einnahme Konstantinopels wuchs die Unsicherheit über den Status, den der Eroberer 1453 den Nichtmuslimen und ihren Gebetshäusern eingeräumt hatte. Einige
Fetvâs
berühren deshalb Fragen der islamischen Rechtmäßigkeit von alten und neuen Kirchen bzw. Synagogen und ihrer Renovierung. Grundsätzlich konnten Christen ihre Kirchen behalten, wenn sie «seit alters», d.h. vor der Eroberung, in ihrem Besitz waren. Erweiterungen des Vorhofs oder den Anbau von Nebenräumen schloss der Scheichülislam Süleymâns Ebussuûd aus. Renovierungen waren nur gestattet, wenn sie auf die Verwendung soliderer Bauweisen verzichteten. Die berühmteste Rechtsauskunft Ebussuûds antwortet auf die Frage, ob
alle
Stadtteile Konstantinopels mit Gewalt erobert wurden.
    Die Causa: Hat der dahingeschiedene Sultan Mehmed – die göttliche Gnade und Verzeihung sei ihm gewährt – das wohlbehütete Istanbul und die Dörfer in seiner Umgebung mit Gewalt erobert?
    Plan 10: Die Quartiere Ayvansaray und Balat am Goldenen Horn
    Die Antwort: Es ist bekannt, dass es sich um eine

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