Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Heimatlosen und von uns selbst. Die Kirche ist wie durch ein Wunder aus einem großen Brand, obwohl sie in seinem Mittelpunkt lag, völlig unbeschädigt hervorgegangen. Nach unserer Lektüre der Geschichtsschreiber wurden in diesem Brand 5000 Häuser zu Asche. Obwohl die abgebrannten Kirchen des Heiligen Sergios (Sarkis) und des Heiligen Nikolaus (Nikoğos) wieder aufgebaut wurden, hat man sie doch später abgerissen, was die Ursache für viel Kummer und Auflehnung war. Vor zehn Jahren (1682) kam der Gesandte Moskaus hierher und hat den Griechen eine Kirche für die Mutter Gottes gebaut.
Nach dieser traurigen Zusammenfassung der Kirchengeschichte der Armenier von Kumkapı kommt Kömürciyan auf andere Gegenstände zu sprechen. Das Zusammenleben von Angehörigen der osmanischen Elite mit Vertretern der Halbwelt war zu diesem Zeitpunkt problematisch geworden:
Der Name des fünften Tors ist Kumkapı. Schon immer sind die Weinschenken hier zahlreicher und schöner als in (dem westlich davon gelegenen) Samatya. Auch liegt der große İbrâhîm Hân-Konak hier. Weiter entfernt (nach Süden) gibt es ein Serail, in dem Prinzen wohnen. Gegenüber ist das Gebäude, in dem die Maultiere des Serails gehalten werden. Hier ist der Kadırga Limanı genannte Platz. Auf dem Platz lebten in ihren Holzhütten Zigeuner mit ihrer Katzenmusik, jedoch hat der Großwesir Köprülü diese Hütten einreißen lassen und die Zigeuner vertrieben. Einige Männer, die Tag und Nacht nur Schlechtes im Sinn hatten, arrangierten mit Hilfe von Zigeunerweibern Rendezvous von schönen Damen mit ihren Liebhabern. Das Ganze wurde durch einflussreiche Türken, die davon erfuhren und in der Gegend wohnten, dem Großwesir hinterbracht. Der ließ daraufhin die Häuser der Zigeuner einreißen und entfernte sie aus der Gegend.
Die Spaltung der armenischen Gemeinde
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatten sich die Spannungen zwischen dem orthodoxen armenischen Patriarchat in Kumkapı und den katholisch-armenischen Gemeinden, die sich verstärkt in Syrien und Anatolien,aber auch in Istanbul gebildet hatten, bedrohlich zugespitzt. Den Armeniern, die zur katholischen Liturgie überwechselten, wurden die kirchlichen Dienste bei Taufen, Eheschließungen und Beerdigungen verweigert. Die katholischen Gemeinden Istanbuls, insgesamt geschätzte 4000 Menschen, sahen sich in die Illegalität gedrängt. Die Kirchenführung ging so weit, ihre Friedhöfe für Katholiken zu sperren, so dass ihre Toten in den Gärten der Häuser beigesetzt werden mussten. Nach einem Sturm auf die Patriarchatskirche im Jahr 1820, den radikale altkirchliche Armenier organisierten, um einen zum Ausgleich neigenden Patriarchen unter Druck zu setzten, konnte die Staatsführung die Dinge nicht weiter dulden. Sultan Mahmûd II. erteilte seinem Wesir im September 1820 den Befehl, neun Personen, die sich im Gewahrsam des
Bostancıbaşı
befanden, aufzuhängen bzw. auf eine Insel zu verbannen. Der Befehl legte auch den Text fest, der an den Leichnamen der Verurteilten anzubringen war: «Sie haben aus eigensüchtigen Gründen den Pöbel angestachelt und das Patriarchat gestürmt.»
Selbst der Übertritt einiger Armenier zum Islam bewahrte sie nicht vor der Todesstrafe. Acht Jahre später erwirkte der neue Patriarch Karabet die Umsiedlung der katholisch-armenischen Gemeinde Istanbuls, um sie dem Einfluss der römischen Kirche zu entziehen. Karabet konnte detaillierte Listen seiner abtrünnigen Schafe und ihrer fehlgeleiteten Hirten vorlegen (1068 Familien mit 2730 Personen). Man ordnete an, dass sich die seit längerem in Istanbul ansässigen armenischen Katholiken aus den Wohnvierteln in Galata, Beyoğlu und am Bosporus zurückziehen und in den angestammten Quartieren mit altarmenischer Bevölkerungsmehrheit wie Kumkapı, Samatya und Hasköy Wohnung nehmen sollten. Armenier mit anatolischen Wurzeln wurden auf die asiatische Seite verwiesen, Familien aus Ankara bildeten hier die größte Gruppe.
Auf den Deportationslisten waren 1492 Katholiken mit der Angabe ihres Berufs eingetragen. Natürlich übten auch die meisten katholischen Armenier Gewerbe aus, die es in allen Bevölkerungsteilen gab: Barbiere, Köche, Gemüsehändler oder Kaffeehausbesitzer. Die größte Berufsgruppe war die der Schneider (196). Trotzdem überwiegt der Eindruck einer wohlhabenden Mittelklasse. Viele waren Hersteller oder Händler von Luxusprodukten. Die Listen enthalten die Namen von 164 Juwelieren und 71 Silberschmieden. 46
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