Italienische Märchen
der große Königliche Geheime Ober-Hofosterhas in versteckten Winkeln ins hohe Gras gelegt hatte; kurz, die Freude war allgemein. Und soeben reihte sich das Volk in einen großen Kreis, die königlichen Hofmusikanten und die Gelnhausner Stadtpfeifer bliesen einen herrlichen Tanz, nämlich den Eiertanz, welchen die königliche Familie mit der rauhgräflichen in höchsteigner Person tanzen wollte. Ein köstlicher Teppich ward ausgebreitet und auf demselben hundert vergoldete Pfaueneier in zehn Reihen gelegt. Nun trat die Königin Eilegia zu Gockel und verband ihm die Augen mit einem seidnen Tuch, und er tat ihr ebendasselbe; ebenso verbanden sich der König Eifraßius und Frau Hinkel und der Prinz Kronovus und Gackeleia die Augen und wurden nun von den Hofmarschällen auf den Eierteppich geführt, auf welchem sie mit den zierlichsten Schritten und Sprüngen und Wendungen zwischen den Eiern herumtanzen mußten, ohne auch nur eins mit den Füßen zu berühren. Die Zuschauer sahen mit gespannter Aufmerksamkeit ganz stille zu und bewunderten die Geschicklichkeit der hohen Herrschaften. Aber nicht weit davon in einem Gebüsche saßen ein Paar alte Männer, die hatten keine Freude an dem Tanz und guckten alle Augenblicke nach dem Fußsteige aus der Stadt, ob ihr Geselle, der dritte alte Mann, nicht bald komme, und ehe sie sichs versahen, stand er mitten unter ihnen.
»Hast du? Hast du?« schrien sie dem Neuangekommenen mit weit vorgestreckten Hälsen entgegen und machten Finger, so spitz wie Krallen, gegen seine festgeschloßne Faust, und er erwiderte: »Ja, ich habe glücklich den Ring durch Gackeleias Spielsucht ertappt; ich habe ihr einen ganz ähnlichen mit einem falschen grünen Glasstein gegeben, welchen Gockel jetzt am Finger hat. Jetzt können wir uns an ihm rächen, daß er uns bei dem Hahnenkauf betrogen und uns in die Wolfsgrube hat fallen lassen, wo wir elend verhungert wären, wenn uns die Bauern nicht herausgezogen hätten.«
So sprachen die drei Alten, welche niemand anders als die drei naturphilosophischen Petschierstecher waren, die Gockel hatten anführen wollen, und die er angeführt hatte. Sie hatten sich nun doch mit ihrer List in den Besitz des Rings gebracht und wollten jetzt gleich seine Wunderkraft versuchen.
Sie faßten alle drei an den Ring und sprachen zu gleicher Zeit die Worte:
Salomon, du weiser König,
Dem die Geister untertänig,
Mach den Gockel wieder alt,
Zumpig, lumpig, mißgestalt;
Mach Frau Hinkel wieder häßlich,
Zänkisch, ränkisch, griesgram, gräßlich;
Mach die Gackeleia schmutzig,
Ruppig, struppig, zuppig, trutzig!
Nehme ihnen Gut und Geld,
Schloß und Roß und Hof und Feld,
Jag sie wieder Knall und Fall
In den alten Hühnerstall!
Aber uns drei Petschaftstechern
Bau ein Schloß mit goldnen Dächern,
Mache uns zu Hofagenten,
Hoffaktoren, Konsulenten,
Rittern und Kommerzienräten,
Kommissaren und Propheten!
Gieb uns Gold und Ehr und Glanz,
Stell uns hoch in der Finanz,
Mach uns schön wie Davids Sohn,
Den scharmanten Absalon!
Mach uns glücklich ganz enorm,
Orden gieb und Uniform!
Ringlein, Ringlein, dreh dich um!
Mach es schön, wir bitten drum.
Während sie so an dem Ring drehten, entstand ein lautes Murren und Lachen und Schimpfen unter dem versammelten Volk. »Ei, seht den alten Bettler, die alte, schmutzige Bettlerin, das schmutzige, freche Kind! Nein, das ist unverschämt! Jagt sie fort, pratsch, pratsch, wie sie die Eier zertreten!« Und bald ward das Geschrei und Getümmel so allgemein, daß der König Eifraßius und die Königin Eilegia und der Prinz Kronovus ihre Binden von den Augen rissen, und wie erstaunten sie nicht, als sie den Rauhgrafen Gockel und die Frau Hinkel und Fräulein Gackeleia, die vorher so schön und jung und prächtig gekleidet gewesen waren, in eine alte, häßliche, zerrissene Bettlerfamilie verwandelt sahen, welche alle Eier auf dem köstlichen Teppich zertreten hatten. Auf ihr unwilliges Geschrei rissen nun auch diese Armen die Binden von den Augen und fingen bitterlich an zu weinen und zu klagen über ihren verwandelten Zustand, denn sie erkannten sich kaum mehr. Gockel griff nach seinem Ring Salomonis und drehte und drehte, aber der falsche, verwechselte Ring vermochte nichts. Da sah er ihn an und erkannte, daß er ausgetauscht war, und schrie laut aus: »O weh mir! Ich bin verloren, ich bin um den Ring betrogen!«
Er wollte eben dem König zu Füßen fallen und ihm sein Unglück klagen, aber dieser stieß ihn von sich, und Eilegia
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