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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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wendete der Frau Hinkel den Rücken und sprach von Bettelgesind. Der Prinz Kronovus allein war noch menschlich gegen Gackeleia; als sie ihm weinend die Hand reichte, gab er ihr einen Taler, den er in der Tasche hatte, und sein Taschentuch, sie solle sich das schmutzige Gesicht waschen, und bat sie, doch geschwind fortzulaufen, denn er sehe den Bettelvogt kommen. Er wolle ihr auch immer sein Taschengeld aufbewahren, und wenn sie sonnabends am Abend hinten an den Brunnen bei dem Eierschloß kommen wolle, werde sie bei dem Vergißmeinnicht immer ein Ei finden, auf dem »Vivat Gackeleia!« geschrieben sei, und darin solle immer sein Wochengeld für sie stecken. Gackeleia weinte bitterlich über seine Güte und wollte ihn eben herzlich umarmen, da riß der Bettelvogt sie von ihm los und trieb das Kind mit Vater und Mutter unbarmherzig über die Grenze. Der König und seine Familie begaben sich in das Schloß, der seltsamen Geschichte nachzudenken, und das Volk zog nach der Stadt zurück, um Gockels Palast zu plündern; aber es war schon Nacht geworden, und da sie auf dem Markte ankamen, sang ihnen der Nachtwächter entgegen:
Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen,
Die Glocke hat zehn Uhr geschlagen,
Aber das ist noch gar nicht viel
Gegen ein Schloß, das in Staub zerfiel.
Hier hats gestanden lang und breit,
Ich weiß nicht, ob ich recht gescheit;
Der Markt ist leer als wie zuvor,
Die Kuh steht wieder vor dem alten Tor.
Schaut an, ihr Herrn, das große Wunder
Ging schnell, wie es entstanden, unter.
Bewahrt das Feuer und das Licht,
Daß nicht der Stadt solch Unglück geschieht,
Und lobet Gott den Herrn!
     
    Wirklich war auch das herrliche Schloß Gockels und alle seine Gärten und alles, was drin war, mit Mann und Maus verschwunden; auf dem Markt plätscherte der alte Stadtbrunnen, als wenn er von gar nichts wüßte. Die guten Bürger gingen nach Haus, nachdem sie lange in die leere Luft geschaut hatten, und überlegten, wo sie mit allen ihren Semmeln und Braten hin sollten, da der große Hofstaat Gockels nicht mehr bei ihnen einkaufen würde.
    Der arme Gockel, die arme Hinkel, die arme Gackeleia zogen wieder, wie ehedem, durch den wilden Wald nach dem alten Schloß, aber sie waren viel trauriger und redeten kein Wort, ja, Frau Hinkel hatte gar die Schürze über den Kopf gehängt, weil sie sich schämte, so häßlich geworden zu sein. Als sie auf einer Höhe angekommen waren, wo man Gelnhausen noch einmal sehen konnte, drehte sich Gockel um und sprach: »Unseliger Ort, wo ich um den köstlichen Ring Salomonis betrogen ward! Abscheulicher, undankbarer Eifraßius, wie schändlich hast du mich in meinem Unglück verstoßen und hast nicht dran gedacht, mir das Geld wiederzugeben, das du in glücklicher Zeit von mir geborgt!«
    Frau Hinkel aber rief aus: »O Königin Eilegia, wie manches Backwerk habe ich dir zum Geschenk gemacht, wie viele Eierspeisen habe ich dich bereiten gelehrt, wieviel hundert Ostereier habe ich dir bunt gesotten! Die schönsten Muster zu Hauben und Kleidern habe ich dir mitgeteilt, und nun, da wir den Ring verloren und arm geworden, läßt du Undankbare mich zerlumpt und hungernd über die Grenze führen!«
    Nun erhob auch Gackeleia ihre Stimme und sprach: »Ach, du kleines Prinzchen Kronovus, du bist doch der Beste von allen; du hast mir deinen Taler geschenkt und dein Taschentuch, daß ich mich abwischen soll; du willst mir dein Wochengeld alle Sonnabend an den Brunnen in ein Ei verstecken; ach, du bist doch mein guter Kronovus geblieben und hast die arme schmutzige Gackeleia nicht von dir weggestoßen. Ach, es tut mir recht leid, daß ich in der Angst vergessen, dir meine herrliche Puppe zum Andenken zu schenken.«
    Kaum hatte Gackeleia das Wort Puppe ausgesprochen, als Gockel zornig nach ihr blickte und heftig sprach: »Du unseliges Kind! Du hast eine Puppe? Welche Puppe? Woher hast du die Puppe? Ach, ich ahnde die Ursache meines Verderbens!« Und da er hierauf die kleine Gackeleia ergreifen wollte, lief sie vor dem erzürnten Vater nach dem äußersten Rande eines Felsen hin, der über einen schroffen Abhang hinausragte. Frau Hinkel schrie: »Um Gottes willen, das Kind fällt sich zu Tode!« und hielt Gockel beim Arme zurück. Gackeleia aber kniete auf dem äußersten Rande des Felsens und breitete ihre Ärmchen gegen den Vater aus und sprach:
Vater Gockel, ach, verzeih!
Mutter Hinkel, steh mir bei!
Oder Gackeleia klein
Springt und bricht sich Hals und Bein.
     
    Da bat die Frau Hinkel den Gockel

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