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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Finger und wollte eben mein Netz zum zweiten Male auswerfen, als ich zwischen meinem Schiffchen und dem des andern Fischers das Meer große Wellen hervorwerfen sah, aus welchem Strudel ein Meerfräulein hervortauchte, das schöne, lange, grüne Haare hatte und ein goldenes Perlenkrönlein auf dem Haupt und eine Menge Muscheln und Korallen um den Hals. Es rang die Hände und weinte sehr beweglich; ich sah, daß es sich dem Boote des bösen Schiffers näherte, und weil ich schon ahndete, daß das arme Meerfräulein nichts Gutes bei ihm zu erwarten habe, ruderte ich gegen jenen Schiffer zu. Aber ich hatte ihn noch nicht erreicht, als er dem Meerfräulein, welches weinend gegen sein Schiff schwamm, einen kleinen Spieß, den er, um Walfische zu töten, bei sich führte, in die Seite warf. Das arme Meerfräulein stieß einen herzzerreißenden Schrei aus und wollte untertauchen; aber sie konnte nicht mehr recht schwimmen, weil sie verwundet war, und wendete sich nun nach meinem Boote, das ich ihr mit angestrengtem Ruderschlage entgegentrieb. Der böse Schiffer fuhr mit ebenso großer Gewalt hinter ihr drein. Schon war sie meinem Schifflein nah und streckte die Arme, um Rettung flehend, gegen mich aus, und ich sah das rote Blut aus ihrer Wunde rieseln und sich mit dem Meerwasser vermischen, da rief sie aus: ›Ach! um des allmächtigen Gottes willen, vor welchem auch du mein Bruder bist, flehe ich dich an: rette mir mein junges Leben!‹ Da tat sie mir so leid, daß ich sie in mein Boot hereinzog und sie zu meinen Füßen bettete; aber nun war mir der böse Schiffer auch so nahe gekommen, daß ich ihm nicht mehr entfliehen konnte. ›Pitschpatsch!‹ rief er aus, ›gieb mir mein Meerfräulein, oder ich schlage dich mit dem Ruder tot!‹ – ›Ich kann sie dir nicht geben‹, antwortete ich, ›denn sie hat eine Zuflucht im Namen Gottes bei mir gesucht, und ich habe ihr meinen Schutz im Namen Gottes versprochen; auch hast du kein Recht an sie, da du sie nur verwundet, ich aber sie gefangen.‹ Hier kamen wir in einen heftigen Streit, während welchem unsere aneinandergehakten Schiffe von einem heftigen Sturm in die offene See getrieben wurden. Ich bot dem bösen Schiffer meinen ganzen Fischzug für das Meerweib, er verlangte immer mehr; er wollte auch mein Netz und endlich mein Boot, und wenn ich sagte: ›Ach! das kann ich nicht‹, so wimmerte das Meerfräulein immer zu meinen Füßen: ›Gieb! gieb! um Gottes willen, gieb!‹ so gestand ich auch dieses zu. Nun trieb uns der Wind gegen eine Sandbank, und da stieß mich der böse Schiffer aus meinem Boot hinaus und warf mir das arme Meerfräulein nach. Ich flehte ihn um Gottes willen an, er möge mich hier nicht zurücklassen, ohne Fahrzeug mitten im weiten Meer, auf der wüsten Sandbank; er wollte mich aber nicht mitnehmen, es sei denn, daß ich ihm den Ring geben wolle, den er an meinem Finger glänzen sah. Es war derselbe, den ich in dem Fische gefunden. Schon war ich im Begriff, ihm den Ring zu übergeben, als das Meerfräulein heftig aufschrie: ›Mein Ring! mein Ring! um Gottes willen, mein Ring!‹ und sich nach mir aufrichtete und mir den Ring entriß. Da wollte der böse Schiffer nach ihr schlagen; aber ich trat ihm entgegen, und wir rangen miteinander. Er war viel stärker als ich und warf mich zu Boden. Da rieb das Meerfräulein den Ring heftig und schrie in die See hinein mit einer Stimme scharf wie die Waffe eines Schwertfisches:
Korali, hilf, Mord und Weh!
Margaris stirbt über See!
     
    Da hoben sich die Wellen haushoch und schlugen über die Sandbank hin, und eine Welle riß den bösen Schiffer, der mir eben mit seinem Ruder die Brust einstoßen wollte, von mir weg und schleuderte ihn weit in die Wogen hinaus. Auch beide Boote wurden fortgerissen, und die See beruhigte sich wieder. Nun saß ich mit dem verwundeten Meerfräulein einsam und allein auf der Sandbank; keine Hülfe nah und fern; die Nacht kam heran, ich sah kein Land rings umher, und mein Tod war gewiß. ›Unglückseliges Meerfräulein!‹ sprach ich, ›in welches Elend hast du mich gebracht! Ohne Boot muß ich hier verhungern oder von den Wellen verschlungen werden um deinetwillen, und wenn du noch ein Mensch wärest; aber dein Leib, der sich von den Hüften hinab in einen schuppichten Fischschwanz verwandelt, macht mich schaudern, wenn ich dich ansehe.‹ – ›O, du armer Pitschpatsch!‹ sagte sie, ›ärgere dich nicht, daß du menschlich an mir gehandelt hast; und was meinen Leib angeht,

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