Italienische Märchen
ehrlichen Gockel ins Ohr, daß er mit einem lauten Schrei erwachte und um sich schlug. Da flohen die beiden Mäuse in großer Angst wieder in die Pudelmütze. »Nein, das ist doch zu grob, einen ins Ohr zu beißen!« sagte Gockel. Da erwachte Frau Hinkel und fragte: »Wer hat dich denn ins Ohr gebissen? Du hast gewiß geträumt.« – »Ist möglich«, sagte Gockel, und sie schliefen wieder ein.
Nun sprach Sissi zu Pfiffi: »Aber um alle Welt, was hast du nur getan, daß der Mann so bös geworden?« Da wiederholte ihr Pfiffi seine ganze Rede, und Sissi sagte mit Unwillen: »Ich traue meinen Ohren kaum, Pfiffi, kann man unvernünftiger und plumper bitten als du? Die niedrigste Bauernmaus würde sich in unsrer Lage anders benommen haben. Alles ist verloren, ich bin ohne Rettung in die Krallen der Katze hingegeben durch deine übel angebrachte Hoffart. Ach, mein junges Leben! O hätte ich dich niemals gesehen!« usw. Pfiffi war ganz verzweifelt über die Vorwürfe und Klagen seiner Braut und sprach: »Ach, Sissi, deine Vorwürfe zerschneiden mein Herz; ich fühle, du hast recht; aber fasse Mut, gehe an das linke Ohr und wende alle deine unwiderstehliche Redekunst an; das linke Ohr geht zum Herzen, er erhört dich gewiß. O ich Unglücklicher, daß ich in die verwünschten königlichen Redensarten gefallen bin!« Da erhob sich Sissi und sprach: »Wohlan, ich will es wagen.« Leise, leise schlüpfte sie an das linke Ohr Gockels, nahm eine rührende Stellung an, kreuzte die Vorderpfötchen über die Brust, schlang den Schweif wie einen Strick um den Hals, neigte das Köpfchen gegen das Ohr und flüsterte so fein und süß, daß das Klopfen ihres bangen Herzchens schier lauter war als ihre Stimme:
Verehrter Herr, ich nahe dir
Bestürzt, beschämt und herzensbang;
Ich weiß, mein Bräutigam war hier
Und ziemlich grob vor nicht gar lang.
Auch war sein Siegel sehr apart,
Mit Recht hast du ihn angeschnarrt.
Weil er verwöhnt, von Not entfernt,
Als einziger Prinz verzogen ward,
Hat er das Bitten nicht gelernt;
Drum, edler Mann, nimms nicht so hart!
Wie Grobsein ihm, sei Höflichsein
Dir leicht, weil du erzogen fein.
Er meints gewiß von Herzen gut,
Doch kömmt beim Sprechen er in Zug,
So regt sich sein erhabnes Blut,
Und er wird gröber als genug.
Bedenk, der Kinder Pfeife klingt,
Wie ihrer Eltern Orgel singt.
Doch reuts ihn immer hinterdrein,
Und in der Pudelmütze sitzt
Jetzt krumm das arme Sünderlein
Und seufzt und wimmert, daß es schwitzt,
Und schimpft, daß ihm die Hofmanier
So grob entfuhr zur Ungebühr.
Bekennet hat er mir, der Braut,
Die ihn erst tüchtig zappeln ließ,
Ihm tüchtig wusch die grobe Haut,
Die Nas ihm auf den Fehler stieß
Und endlich, nach manch bitterm Ach,
Dich zu versöhnen ihm versprach.
Doch, daß ich selbst mich nicht vergeß,
Vergönne jetzt in Demut mir
Zu sagen, daß ich, was Prinzeß
Bei Menschen ist, bin als ein Tier,
Und zwar als kleine weiße Maus.
So schütt ich nun mein Herz dir aus.
Prinzeß Sissi von Mandelbiß
Fleht dich um Ritterdienste an;
Du weißt aus dem Äsop gewiß,
Was für die Maus ein Löw getan,
Und wie ihm dankbar half die Maus
Dann wieder aus dem Netz heraus.
Auch meinem Bräutigam und mir
Hilf sicher in das Mausereich.
Die Katz, das ungeheure Tier,
Macht mich vor Schreck ganz totenbleich!
O, hättest du ein bißchen nur
Von Mausgeschmack und Mausnatur!
O, wüßtest du, wie weiß und zart,
Wie lieblich ich an Leib und Seel,
Gar nicht nach andrer Mäuse Art,
ja, unter allen ein Juwel,
Du littest lieber selbst den Tod,
Als du mich ließ'st in Katzennot.
Die Äuglein sind wie Diamant,
Die Zähnlein Perl und Helfenbein,
Mein Leib ist zierlich und gewandt,
Die Pfötchen rosenrot und klein,
Das Mäulchen pfiffiglich gespitzt,
Ich schweig vom Teil, auf dem man sitzt;
Die Öhrlein sind zwei Blumen zart,
Die Nase einer Blüte gleich;
Wie Blütenfäden ist mein Bart
So rein, so fein, so weiß und weich.
Und wie Frau Catalani singt,
Mein Stimmlein bei den Mäusen klingt.
Man hat mich drum als Gegensatz
Oft Mausalani auch genannt;
Weil Kata etwas klingt wie Katz,
Hat man das Wort so umgewandt,
Das Lani ließ man angehängt,
Weil man dabei an Wolle denkt.
Verleugne nicht dein Zartgefühl,
Laß rühren dich durch meinen Sang!
Denn lockender als Flötenspiel,
Als Harfen- und als Geigenklang
Fleht er aus meiner Brust heraus:
Beschütz die kleine weiße Maus!
Bei deiner hohen Adelspflicht,
Die dich zum Schutz der Damen weiht,
Beschwör ich dich, verlaß mich nicht!
Vielleicht ist ja der
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