Italienische Novellen, Band 1
nicht? Wohin hat sich Eure inbrünstige Liebe verirrt? Hat sich ihre Gestalt, haben sich ihre Züge so sehr verändert, daß Ihr sie nicht wiedererkannt habt, während sie doch neben Euch sitzt?«
Auf diese Worte erschlossen sich allmählich die Augen des verliebten Ritters, und er warf sich seiner Fenicia an den Hals, küßte sie tausendmal und konnte in seinem grenzenlosen Entzücken nicht aufhören, sie unverwandt zu betrachten. Dabei weinte er fortwährend voll Rührung und konnte kein Wort hervorbringen, nannte sich aber selbst in seinem Innern blind. Messer Lionato erzählte ihm darauf, wie sich alles zugetragen habe, und alle waren äußerst verwundert und sehr heiter beisammen. Herr Girondo sprang jetzt von der Tafel auf, warf sich heftig weinend Fenicia zu Füßen und bat sie demütigst um Verzeihung. Diese hob ihn sogleich freundlich auf und verzieh ihm mit liebreichen Worten die erlittenen Unbilden. Darauf wandte sie sich zu ihrem Gatten, der sich selbst bei der Sache für schuldig erklärte, und bat ihn mit den zärtlichsten Worten, nie wieder in diesem Sinne zu sprechen: denn er brauche nicht für eine Schuld um Verzeihung zu bitten, die er nicht begangen habe. Dann küßten sie sich und tranken, vor Freude weinend, ihre heißen Tränen im Übermaß des Entzückens und der Wonne. Während sich nun alle der angenehmsten Freude hingaben und zu Tänzen und Festlichkeit anschickten, nahte sich der Ritter Girondo dem Messer Lionato, der so vergnügt war, daß er den Himmel mit dem Finger zu berühren wähnte, und bat ihn ihm eine sehr große Gnade erzeigen zu wollen, wodurch er ihn unendlich glücklich machen werde. Messer Lionato antwortete ihm, er möge nur fordern; denn wenn es in seiner Macht stehe, seine Bitte zu gewähren, so werde er sie gern und freudig erfüllen.
»So verlange ich denn«, fuhr Herr Girondo fort, »Euch, Herr Lionato, zum Vater und Schwäher, Frau Fenicia und Herrn Timbreo zu Geschwistern und Fräulein Belfiore hier zu meiner rechtmäßigen und geliebten Gattin.«
Der gute Vater fühlte sein Herz von neuer Freude überwältigt. Wie von Sinnen über ein so großes unverhofftes Glück wußte er nicht, ob er träume, oder ob es Wahrheit sei, was er sah und hörte. Als er endlich doch erkennen mußte, daß er nicht schlief, dankte er Gott von Herzen für so vielen unverdienten Segen und antwortete, zu Herrn Girondo gewandt, diesem freundlich, er sei mit allem zufrieden, was in seinem Belieben stehe. Da es nun so weit war, rief er Belfiore zu sich und sagte: »Du siehst, meine Tochter, wie es geht: dieser Herr Ritter bewirbt sich um deine Hand. Willst du ihn zum Gatten haben, so bin ich es zufrieden; du hast alle möglichen Gründe, es auch zu sein; also sage nur deine Meinung frei heraus!«
Das schöne Mädchen antwortete ihrem Vater mit leiser, bebender Stimme voll Scham, daß sie bereit sei, zu tun, was er verlange. Und so steckte Herr Girondo, um die Sache nicht weiter zu verzögern, mit Einwilligung aller Verwandten unter den gewöhnlichen und geziemenden Äußerungen des Anstandes der schönen Belfiore den Ring an, worüber Messer Lionato und alle die Seinigen äußerst vergnügt waren. Und weil Herr Timbreo seine teure Fenicia unter dem Namen Lucilla geheiratet hatte, vermählte er sich nunmehr von neuem feierlich mit ihr unter dem Namen Fenicia.
So ging der ganze Tag unter Tänzen und Vergnügungen hin. Die schöne, liebenswürdige Fenicia war in den feinsten Damast gekleidet, weiß wie der reinste Schnee. Das Gebände, welches ihr Haupt schmückte, stand ihr wunderbar reizend. Sie war für ihre Jahre ziemlich groß von Wuchs und prangte in genügender Fülle der Glieder; doch konnte sie bei ihrer Jugend noch zu wachsen hoffen. Unter der verräterischen Hülle der feinsten und edelsten Seide zeigte sich etwas erhaben der Busen, zwei runden Äpfeln gleich vordringend, eine Brust in reizender Entfernung von der andern. Wer die holde Farbe ihres Angesichts sah, der erblickte eine reine, liebliche Weiße, von süßer jungfräulicher Scham übergossen, die nicht die Kunst, sondern die Meisterin Natur, dem Wechsel der Gebärden und der Umstände gemäß, in glühenden Purpur tauchte. Die schwellende Brust glich an Weiße und Frische dem lebendigsten weißen Alabaster, der runde Hals glänzte wie Schnee. Wer den holden Mund, wenn er die süßen Worte bildete, sich öffnen und schließen sah, der konnte zuversichtlich sagen, er habe ein unschätzbares Kleinod sich öffnen sehen,
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